Endlich halten sie ihre Bachelor- oder Master-Diplome in den Händen: Für 177 Design-, Film- und Kunst-Studierende der Hochschule Luzern ist mit der Abschlussveranstaltung der virtuellen Werkschau «wwwerkschau» am 27. Juli 2020 ein langer Weg zu Ende gegangen. Elf Absolventinnen und Absolventen erhielten neben ihren Diplomen einen Förderpreis. Drei dieser herausragenden Arbeiten stellen wir hier vor.
Max von Moos-Förderpreis: Malen Widén
Mehr als «Malen nach Zahlen»
Der mit 5’000 Franken dotierte Max von Moos-Förderpreis für Kunststudierende ging in diesem Jahr an Malin Widén, Absolventin des Master Kunst.
Mit «Zeichenzimmer», so der Name ihrer Abschlussarbeit, möchte die Luzernerin dazu ermuntern, einen frischen Blick auf die Didaktik des Zeichnens zu werfen, insbesondere im Schulunterricht. Für ihre Arbeit entwickelte sie eine Website samt Begleitpublikation, die sich an Lehrerinnen und Lehrer der Primarstufe richten.
In Gesprächen mit diesen Lehrkräften, mit Schülern sowie Hochschuldozierenden stellte Widén fest, dass der Unterricht in der Schule häufig nach einem Schema abläuft: Er zielt auf homogene Bildprodukte, die sich zwar gut vergleichen und einfach bewerten lassen, aber wenig Raum für Individualität lassen. «Manchmal wird das Zeichnen auch schlicht als Beschäftigungstherapie eingesetzt», sagt Widén.
Es brauche daher in der Vermittlung des Zeichnens neue Ansätze, «nämlich solche, die das Zeichnen nicht als Nachahmung vorhandener Bildkategorien verstehen, sondern als individuellen und visuellen Denkprozess, der auch fächerübergreifend stattfinden kann».
Schliesslich könne das Zeichnen mehr als schöne Bilder produzieren, so Widén: «Eine Zeichnung kann Geschichten erzählen, uns berühren, zum Lachen bringen oder auch komplexe Sachverhalte erklären.»
Ihre Website «Zeichenzimmer» dient der Absolventin als Startpunkt für eine langfristige Initiative. Lehrkräfte sollen darin ein Diskussionsforum finden und einen breiten Strauss an inspirierenden Beispielen für ihren Unterricht. Die Absolventin ist sich bewusst, dass der Aufbau einer neuen Didaktik ein schwieriger und langer Prozess sein wird: «Zeichenunterricht mag simpel wirken, aber er ist äusserst anspruchsvoll.»
Förderpreis der zeugindesign-Stiftung: Megan Kelso
Die etwas andere Dessous-Kollektion
Vier Förderpreise zu je 4’000 Franken verlieh dieses Jahr die zeugindesign-Stiftung für besonders kreative und innovative Arbeiten. Eine der Auszeichnungen ging an Megan Kelso aus Baar, Absolventin des Bachelor XS Schmuck, für «DESSUS et DESSOUS».
Diese Kollektion der etwas anderen Art richtet sich an von Brustkrebs betroffene Frauen. Manche verlieren nach Operationen eine, andere beide Brüste oder Teile davon. Kelso: «Plötzlich fehlt ein identitätsbestimmendes Körperteil und es tauchen Fragen zur eigenen Versehrtheit und Weiblichkeit auf.»
Als gelernte Bekleidungsgestalterin für Damen versteht Kelso den weiblichen Körper und als Schmuckmacherin die Kraft am Körper getragener Objekte. Mit Blick auf ihre Zielgruppe hat sie Kleidungsstücke zum darüber («dessus») und darunter («dessous») tragen entworfen; vom extravaganten Statement bis zum alltagstauglichen BH. Statt die amputierte Brust zu kaschieren, betont sie mit ihrer Kollektion die weibliche Individualität und zelebriert die Asymmetrie.
Ein Körper sei schliesslich etwas sehr individuelles, so Kelso, er müsse nicht ins symmetrische «Konfektions-Raster» der Modeindustrie passen. Sie hofft, mit ihrer Kollektion Brustkrebsbetroffenen zu ermutigen, kreativ mit den Veränderungen ihres Körpers umzugehen und so Tabus zu brechen.
Chapeau! Award for Theory: Lea Kuslev
Horror und Gender
In diesem Jahr erstmals verliehen wurde die mit 500 Franken dotierte Auszeichnung «Chapeau!». Die Jury zieht damit symbolisch den Hut vor besonders gelungenen theoretischen Bachelor- und Master-Abschlussarbeiten. Ein «hat tip» ging an die Digital Ideation-Absolventin Lea Kuslev für ihre Bachelorarbeit «Horror und Gender».
Kuslev untersuchte weibliche Figuren in Horror-Videospielen. Die passionierte Gamerin nutzte Instrumente aus der Filmtheorie und übertrug diese vom linearen Medium Film ins interaktive Medium Videospiel. Sie analysierte die Silent Hill-Reihe und «Bloodborne», Horror-Spiele, die thematisch verwandt sind, zwischen denen jedoch über ein Jahrzehnt liegt. Das erste «Silent Hill» erschien 1999; «Bloodborne» erst 2015. «Ich wollte so nachzeichnen, wie sich die gesellschaftliche Entwicklung in Mainstream-Games niederschlägt», sagt Kuslev.
In beiden Titeln behandelt die albtraumhafte Spielwelt ihre weiblichen Figuren grausam und unfair. «Aber es gibt doch Unterschiede in den Frauenrollen und deren Design», so die Absolventin aus Luzern. Demnach sexualisiert etwa Silent Hill 3 seine Protagonistin stärker, indem es seine Figur in einen kurzen Rock und in eine stereotype Rolle zwängt, aus der sie nicht ausbrechen kann. Demgegenüber wartet Bloodborne mit einer grösseren Vielfalt an Frauenrollen auf, die zudem weniger sexualisiert werden – manche kommen gar als Monster ohne jegliche weiblichen Züge daher. Kuslev: «Die Ergebnisse spiegeln meinen persönlichen Eindruck, wonach Frauen in neueren Spielen zumindest abwechslungsreicher präsentiert werden.»
Lea Kuslev behandelte auch in ihrer praktischen Arbeit das Thema Spiele: Sie kreierte eine Online-Plattform, auf der Videospielerinnen und -spieler ihre Abonnemente bei Game-Anbietern sowie Musik- und Streamingdiensten bündeln können, um so den Überblick über ihre Aktivitäten zu behalten.