Ein unstillbarer Bildungshunger – das ist es, was Petra Baumann seit jeher antreibt. Ihr Berufsleben startete die heute 52-Jährige mit einer Lehre im Verkauf. Damals hätte sie sich nie träumen lassen, dass sie einmal die Koordinationsstelle Häusliche Gewalt und Menschenhandel im Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen leiten würde. Denn nach ihrer Lehre arbeitete Petra Baumann zunächst bei der Post. Doch dort keimte in ihr schon bald einmal der Wunsch, sich beruflich weiterzuentwickeln. «Wie diese Veränderung aber aussehen sollte, wusste ich nicht», erinnert sich die Glarnerin. Da stiess sie auf ein Stelleninserat der Polizei und dachte: «Genau das ist es.»
Dass sie damit die erste Polizistin im Kanton Glarus sein würde, war ihr bei ihrem Entscheid damals nicht bewusst. Den Medien war dieser Umstand aber nicht entgangen. Diese baten Petra Baumann um Interviews und titelten «Männerbastion gefallen». Sie selbst sah sich aber nicht als Pionierin. Erst heute mit dem Blick zurück auf 1992, erkennt sie: «Das war ein besonderer Schritt in Richtung Gleichstellung.»
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Nach mehreren Jahren Mutterschaftspause stieg Petra Baumann 2008 wieder bei der Polizei ein, diesmal als sogenannte Polizeiassistentin. Dabei führte sie weiterhin Einvernahmen oder Spurensicherungen durch, jedoch ohne Schichtarbeit oder Ausseneinsätze. Dies ermöglichte der mittlerweile alleinerziehenden Mutter von drei Kindern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
«Mein Interesse für die Sozialarbeit erwachte an einem Opferbefragungskurs an der Hochschule Luzern», sagt sie. Bei den Einvernahmen der Täterschaft – insbesondere, wenn es um Gewaltdelikte geht – zeigte sich nämlich, dass hinter den Delikten stets komplexe Lebensgeschichten stecken. «Die Polizeiarbeit ist überwiegend in der Intervention tätig. Die Sozialarbeit hat jedoch das Potenzial, präventiv zu wirken oder nach einer Intervention nachhaltige Lösungen mit den Menschen zusammen zu finden.»
So fing Petra Baumann als Quereinsteigerin bei den Sozialen Diensten des Kantons Glarus an und absolvierte berufsbegleitend den Bachelor in Sozialer Arbeit an der HSLU.
Selbstbewusstsein und Selbstverständnis als Sozialarbeiterin
Ihr Weg führte von der Sozialarbeiterin in der Sozialhilfe und der Berufsbeistandschaft zur Opferberatungsstelle, die sie bis zum Antritt ihrer heutigen Stelle Anfang 2023 auch leitete. Im Zuge der im April 2018 in Kraft getretenen Istanbul-Konvention – das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – benötigte es auf kantonaler Ebene neue Strukturen. Im Rahmen ihrer damaligen Tätigkeit koordinierte Petra Baumann daher unter anderem ein Pilotprojekt zum Aufbau einer Fachstelle für Häusliche Gewalt sowie die Kinderschutzgruppe des Kantons Glarus. 2018 schloss sie auch ihren Bachelor an der Hochschule Luzern ab und wusste sogleich, dass in absehbarer Zeit der Master folgen würde.
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Da war er wieder, der Bildungshunger. Und mit ihm auch die Aussicht, mit dem Master in der Tasche, sich beruflich ein weiteres Mal neue Chancen zu erschliessen. «Ich hatte in meiner damaligen Vorgesetzten bei den Sozialen Diensten ein fachliches und menschliches Vorbild», sagt Petra Baumann. «Ihr integrativer, kooperativer Führungsstil sowie ihre Fachkompetenzen haben mich beeindruckt.» Die Glarnerin wollte zudem in ihrem Berufsalltag auf Augenhöhe mit Fachpersonen aus anderen Disziplinen wie Medizin oder Recht diskutieren können. Dieses Ziel hat sie erreicht: Ihr Studium an der Hochschule Luzern komme ihr heute sowohl bei Projektarbeiten als auch beim Umgang mit Stakeholdern und in der Führungsarbeit sehr zugute, wie Petra Baumann ausführt. Der Master gab der Glarnerin auch den nötigen Schub, sich auf ihre heutige Stelle zu bewerben.
Petra Baumann ist es wichtig, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter um ihren Wert für die Gesellschaft wissen: «Die Sozialarbeit muss sich nicht verstecken.» Diese wichtige Arbeit treibt auch Petra Baumann täglich an, trotz der schwierigen Themen, mit denen sie es zu tun hat. Zwar sei sie heute nicht mehr an der Front tätig, kenne aber die Not nur allzu gut. «Es ist entscheidend, dass wir die Gesellschaft für diese Thematiken sensibilisieren. Gleichzeitig müssen wir griffige Instrumente schaffen, die in der Praxis den Betroffenen helfen. Und dafür bin ich nun am richtigen Ort.»