Masken-Unlust: wieso, weshalb, warum?

Lange wurde es heiss diskutiert. Nur wenige taten es. Nun hat der Bundesrat es verordnet. Und an der Hochschule Luzern fragen Fachleute gleich mehrerer Departemente, warum so wenige es freiwillig tun: das Maskentragen. Wir stellen verschiedene Erklärungsansätze und ein Projekt vor.

Freiwillig tragen nur wenige Menschen eine Maske

Masken-Unlust?

Expertinnen und Experten aus den Bereichen Textildesign, Soziokultur und Medizintechnik befassen sich an der Hochschule Luzern mit wiederverwertbarer Schutzkleidung, also auch mit Masken. Was braucht es, damit sie populärer werden, fragen sich die Forscherinnen und Forscher, denn: «Die beste Maske nützt nichts, wenn sie nicht getragen wird», so Textildesignerin Tina Moor. Sie leitet das interdisziplinäre Projekt. Wir haben mit ihr gesprochen:

Tina Moor, warum tun wir uns in Europa und insbesondere in der Schweiz so schwer mit dem Maskentragen, selbst nachdem das Virus Covid-19 die ganze Welt in eine Krise gestürzt hat?

Meine Kollegen Jonas Leysieffer, Alexis Schwarzenbach und Dominic Zimmermann haben sich dem Thema kulturhistorisch genähert. Sie kommen zum Schluss, dass sich in Europa spätestens seit dem 19. Jahrhundert eine Ablehnung von Verhüllung entwickelt hat, ob es sich dabei nun um Kopfbedeckungen oder Masken handelt. Wir verstehen uns als «enthüllte» Gesellschaft. Darin grenzt sich aus, wer eine Maske aufsetzt denn sie vermittelt den Eindruck, dass sich jemand versteckt. Im Gegensatz zu einigen anderen Kulturen haben wir ausserhalb der Fasnachtszeit fast ausschliesslich negative Assoziationen zum Thema «Verhüllung», wie Bankraub oder gewalttätige Demonstrationen. Dies ist allerdings situationsgebunden; im Spital ist die Maske völlig unbestritten, ja als Patientin erwarte ich sie zum Beispiel im Operationssaal sogar.

«Design bedeutet nicht einfach eine Aufhübschung der Aussenseite.»

Welche Erklärungsansätze gibt es aus der Textildesign-Perspektive für die «Masken-Unlust»?

Als Textildesignerin interessieren mich naturgemäss die materiellen Aspekte: Masken sind unbequem, man schwitzt darin, die Brille läuft an, Einwegmasken aus synthetischem Material riechen nach einer Weile unangenehm. Mich persönlich stört der Gummi hinter den Ohren, andere finden hingegen Bändel am Hinterkopf unpraktisch… All das führt natürlich nicht gerade zu einer breiten Akzeptanz solcher Masken.

«Die beste Maske nützt nichts, wenn sie nicht getragen wird»

Die Schutzmaske ist ein weiterer Wegwerfartikel. Trägt das zur Ablehnung bei?

Für viele Menschen sicher – und das ist ja im Prinzip auch nachvollziehbar im Hinblick auf das wichtige Thema Nachhaltigkeit. Unser Projekt zielt daher darauf ab, wiederverwertbare Schutzbekleidung – nicht nur Masken – zu entwickeln.

Was muss sich verändern, damit Masken besser akzeptiert werden?

Kulturhistorisch gesehen: Wir müssen uns die Maske aneignen. Im Moment wird sie als fremd und aufgezwungen empfunden. Die Designgeschichte zeigt, dass Neues und Fremdes immer erst dann akzeptiert wird, wenn die Gesellschaft es selbst mitgestaltet. Wir nennen diesen Prozess Hybridisierung.

Wir verstehen uns als «enthüllte» Gesellschaft. Darin grenzt sich aus, wer eine Maske aufsetzt

Was braucht es, damit Schutzmasken ein erfolgreiches Produkt werden?

Lokal hergestellte, wiederverwertbare Masken werden ein Nischenprodukt bleiben, das ist uns klar. Dies nur schon darum, weil sie im Vergleich zu den Wegwerfmasken ungleich teurer sind. Damit sie eine Chance haben, braucht es die Gewissheit, dass sie die gleiche Sicherheit bieten. Zwischen den Fäden von gewobenen oder gestrickten Stoffen gibt es immer Zwischenräume und deshalb spielt die Frage der Materialkombinationen in verschiedenen Schichten eine wichtige Rolle.

Aus Designperspektive geht es nicht einfach um eine Aufhübschung der Aussenseite – das ist ein häufiges Missverständnis. Uns interessiert auch der Produktionsprozess, denn hier ist viel Potenzial, um etwas Nachhaltiges herzustellen. Dann geht es darum, ein Produkt zu entwickeln, das bequem ist, nicht unangenehm riecht, eine Chance hat, hierzulande und in Europa akzeptiert zu werden und das natürlich möglichst viel Sicherheit bietet.

Ein spieltheoretischer Ansatz: Wer gewinnt was, wer verliert was?
Im Departement Informatik greifen Studiengangleiter Marc Pouly und Eckart Zitzler, Vizedirektor und Leiter Forschung, mit einem Augenzwinkern zur so genannten Spieltheorie, um zu erklären, warum wir trotz offizieller Empfehlungen bisher in Tram und Zug so selten Schutzmasken sahen. In ihrem Modell führen sie zwei Figuren, Alice und Bob, im gleichen Zugabteil zusammen und fragen, wer was zu gewinnen hat, wenn einer der beiden eine Maske trägt bzw. nicht trägt. Spoiler: Die beste Lösung für Alice ist nicht die beste Lösung für Bob. Und die individuellen Abwägungen von beiden führen nicht zur besten, ja noch nicht mal zur zweitbesten Lösung. Die ganze Geschichte gibt es auf dem Blog des Departements Informatik.

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