Die Schweiz ist das Biermekka schlechthin. Über 1’100 Brauereien sind hier registriert; gemessen an der Einwohnerzahl ein Weltrekord. Die hiesige Brauereiszene ist nicht nur sehr vielfältig, sondern auch besonders experimentierfreudig, wie sich wieder einmal zeigte: Kürzlich konnten Mitglieder eines interdisziplinären Forschungsteams mit «DEEPER» anstossen, dem schweizweit ersten von einer Künstlichen Intelligenz (KI) kreierten Bier.
Das Hopfen-lastige India Pale Ale mit Zitrus-Note ist das Produkt eines gemeinsamen Forschungsprojekts der Hochschule Luzern, der Rothenburger Mikrobrauerei MNBrew und des Luzerner Softwareunternehmens Jaywalker Digital. «Bei Künstlicher Intelligenz denken die Leute oft an hyper-intelligente Roboter, riesige Datenmengen und selbstfahrende Autos», sagt Initiant und Jaywalker-Mitinhaber Kevin Kuhn. «Wir aber wollten beweisen, dass sie uns bei kreativen Prozessen unterstützen und sogar etwas Neues schaffen kann – wie eben ein Bier.»
157’000 Rezepte auf Muster durchsucht
Als digitale Braumeisterin beim Projekt fungierte eine KI namens «Brauer AI» (ausgesprochen als Brauerei). Entwickelt hat sie das Algorithmic Business Research Lab, eine auf KI-Anwendungen spezialisierte Forschungsgruppe am Departement Informatik der Hochschule Luzern. Die Vorschläge der «Brauer AI» basieren auf einer Datenbank mit 157’000 internationalen Bierrezepten. Mit Hilfe sogenannter neuronaler Netze sucht die KI in diesen Rezepturen nach Mustern und leitet daraus ihre eigenen Kreationen ab.
«Für Brauereien ist es angesichts hunderttausender Rezepte enorm schwierig, den Überblick zu behalten», erklärt Marc Bravin, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Lab. «‹Brauer AI› kann sich diesen Überblick nicht nur viel schneller verschaffen als ein Mensch, sondern auch Vorschläge liefern für ein wirklich noch nie dagewesenes Bier.»
Dazu muss zuerst der Bierstil festgelegt werden – Indian Pale Ale, Weizen, Amber etc. Diesen gibt entweder ein Mensch vor oder die KI wählt ihn zufällig. Aufgrund des Stils schlägt «Brauer AI» dann eine Liste von Malzsorten und deren Anteil am Sud vor. Als nächstes folgen Vorschläge für passende Hopfensorten und deren Kochzeiten.
«Die besten Ergebnisse erzielen Mensch und Maschine gemeinsam»
Jedes KI-generierte Rezept wird vor dem Brauvorgang von einem menschlichen Braumeister mit seinem Fachwissen auf Tauglichkeit überprüft und wo nötig angepasst. Denn: «Das originellste Bier der Welt ist nichts wert, wenn es niemand trinken möchte», sagt Adrian Minnig, der Brauexperte von MNBrew. «DEEPER» dürfte seiner Einschätzung nach aber auf breiten Anklang stossen. «Sehr spannend und sehr fruchtig», so Minnigs Fazit.
Der Brauer sieht die KI als Chance, neue und spannende Kombinationen zu testen, auf die er von alleine nicht gekommen wäre. «Der Schweizer Biermarkt ist sehr dynamisch», sagt Minnig. «Eine KI als Inspirationsquelle bietet uns einen willkommenen Innovationsvorsprung.» Auch Kevin Kuhn von Jaywalker Digital und KI-Forscher Marc Bravin betonen, dass es nicht darum geht, mit «Brauer AI» den Menschen aus dem Brauprozess auszuschliessen. Im Gegenteil: «Die besten Ergebnisse erzielen Mensch und Maschine gemeinsam.»