Philipp Bachmann ist Dozent für Medienökonomie an der Hochschule Luzern. Gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der Universitäten Zürich und Fribourg untersucht er alle zwei Jahre, wie sich die Qualität von journalistischen Inhalten und das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in die Medien entwickelt hat.
Philipp Bachmann, rund die Hälfte aller untersuchten Informationsmedien hat an Qualität eingebüsst. Wird es für die Bevölkerung zunehmend schwieriger, an hochwertige Informationen zu gelangen?
Ja, das kann man so sagen. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass die Zahl der verfügbaren Informationen ins Unermessliche gestiegen ist. Für die Leserinnen und Leser ist es schwieriger geworden, die Spreu vom Weizen zu trennen. Trotzdem: In der Schweiz gibt es nach wie vor viele erstklassige journalistische Informationsangebote – und zwar nicht nur vom öffentlichen Rundfunk, sondern auch von privaten Medienanbietern.
Und dennoch gibt es in der Schweiz immer mehr Menschen, die kaum mehr klassische News konsumieren.
Das ist leider so. Bereits 36 Prozent der Schweizer Bevölkerung konsumieren so gut wie keine hochwertigen News mehr. In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen liegt der Anteil dieser sogenannten News-Deprivierten sogar bei 56 Prozent. Das ist aus demokratischer Sicht bedenklich, denn mit einem geringen Nachrichtenkonsum lässt sich kaum politisches Wissen erlangen.
«Die Qualität von gewissen Medien wurde während der Krise etwas positiver eingeschätzt als sonst.»
Woher kommt dieser Trend?
Im digitalen Zeitalter konkurrenzieren unzählige Akteure und Inhalte um unsere Aufmerksamkeit. Mit einer Studie haben wir die Wettbewerbssituation von journalistischen Informationsmedien auf YouTube und Google analysiert. Insbesondere auf YouTube tauchen zu aktuellen Themen vor allem Inhalte von selbsternannten Expertinnen und Experten oder PR-Kanälen auf. Journalistische Informationsangebote werden von diesen oft zweifelhaften oder zumindest interessengeleiteten Inhalten verdrängt.
Trotz schwindender Leserzahlen ist das Vertrauen in die Medien nach wie vor hoch. Zulegen konnten im aktuellen Rating vor allem das gebührenfinanzierte Radio und Fernsehen sowie die Boulevardzeitungen. Woran liegt das?
Darüber lässt sich nur spekulieren. Wir haben die Befragung zwischen dem 21. Februar und dem 9. März 2020 durchgeführt. Am 28. Februar hat der Bundesrat die Pandemie zur «besonderen Lage» erklärt. Womöglich haben die Befragten die Qualität von gewissen Medien während der Krise etwas positiver eingeschätzt als sonst. Die Informationssendungen des SRF sowie die kostenlosen Boulevard- und Pendlermedien wurden damals besonders rege konsumiert und könnten deshalb von einem Vertrauensbonus profitiert haben. Offen bleibt daher die Frage, wie nachhaltig dieser Vertrauensgewinn ist.
Offen bleibt auch die Zukunft der Printzeitungen. Einige traditionelle Titel wurden im Qualitätsrating bereits von ihren Online-Pendants überholt. Läutet diese Tendenz den endgültigen Tod der klassischen Zeitung ein?
Die zunehmende Angleichung von Online- und Printmedien liegt vor allem daran, dass die jeweiligen Redaktionen nicht mehr getrennt voneinander arbeiten. Journalistinnen, die früher nur für die Printausgabe tätig waren, schreiben mittlerweile auch für den Online-Teil. Die Verschmelzung dieser beiden Welten scheint jetzt bei allen Verlagen abgeschlossen zu sein. Ob diese Entwicklung die Printzeitungen weiter schwächt, ist schwer zu sagen.
«Tech-Giganten wie Facebook, Amazon und Google schöpfen inzwischen mehr Werbegelder ab, als alle Schweizer Medien zusammen.»
Für welche Formate könnte es bald eng werden?
Etwas dunkel sehe ich die Zukunft der gedruckten Pendlerzeitungen. Pendlerinnen und Pendler nutzen für den Newskonsum vermehrt ihr Smartphone und sind gerade seit Corona noch weniger bereit, eine Zeitung durchzublättern, die vorher schon jemand anderes in den Händen hatte.
Wieso sind die Medien so stark unter Druck geraten?
Journalistische Medien haben sich traditionell über den Verkauf und mit Werbung finanziert. Beides ist seit Jahren rückläufig. Weniger Menschen sind bereit, für journalistische Inhalte Geld zu bezahlen und die Tech-Giganten wie Facebook, Amazon und Google haben den Werbemarkt erobert. Sie schöpfen inzwischen mehr Werbegelder ab, als alle Schweizer Medien zusammen.
«Der zunehmende Einheitsbrei stellt für eine Demokratie ein Risiko dar.»
Auch in der Schweizer Medienbranche haben sich Giganten gebildet. Die grössten drei Verlage kontrollieren 82 Prozent des Deutschschweizer Pressemarkts. Welche Folgen hat das?
Die Berichterstattung in den Medien kommt vermehrt aus Zentralredaktionen, die verschiedene Zeitungen und Onlinemedien mit denselben Inhalten befüllen. Dieser zunehmende Einheitsbrei stellt für eine Demokratie aber auch für Organisationen und Behörden ein Risiko dar: Eine Handvoll Redaktionen entscheidet, wer mediale Aufmerksamkeit erhält, wer gut wegkommt oder wer skandalisiert wird.
Kann eine stärkere Medienförderung helfen, die Vielfalt und die Qualität der Medien wieder zu steigern?
Im Prinzip ja. Auch die Politik hat erkannt, dass viele Medientitel nicht überleben werden, wenn jetzt nichts geschieht. Aber solche Finanzierungsmodelle sind eine vertrackte Angelegenheit. Es besteht die Gefahr, dass Abhängigkeiten geschaffen werden. Deshalb braucht es eine durchdachte Struktur, die nicht einzelne Kanäle, sondern tatsächlich journalistische Inhalte fördert.