Museen sollen Kunstwerke sammeln, bewahren und vermitteln. So lautet ihr Auftrag. Lange gab es damit auch kein Problem: Bilder, Skulpturen und so weiter wurden angekauft, unter guten konservatorischen Bedingungen in Ausstellungen gezeigt, ihre Bedeutung Zuschauern und der Öffentlichkeit allgemein deutlich gemacht.
Doch mittlerweile werden auch Museen immer öfter Schauplatz von Performances. Von flüchtigen Kunstwerken also, die vor den Augen der Zuschauer aufgeführt werden und oft auch mit ihnen interagieren.
Eine Biennale oder eine Documenta wäre heute ohne Performances nicht mehr denkbar. «Das kann man negativ als Auswuchs einer grassierenden Eventkultur sehen», sagt Kunstwissenschaftlerin Rachel Mader von der Hochschule Luzern, «oder positiv als Wunsch, im digitalen Zeitalter bei einem Ereignis live dabei zu sein.»
Eine Herausforderung für Museen und Co.
Noch stellt die Absicht, eine Live-Performance zu kaufen, sowohl die Künstlerinnen und Künstler, die sie anbieten, als auch die Museen, Galerien oder private Sammler, die sie kaufen, vor Herausforderungen.
Rachel Maders Team, das am Forschungsschwerpunkt Kunst, Design & Öffentlichkeit des Departements Design & Kunst angesiedelt ist, arbeitet deshalb daran, Rahmenbedingungen zu entwerfen, unter denen Performances gehandelt, gekauft und gesammelt werden können.
Zusammen mit ihren Forscherkollegen, dem Dozenten Wolfgang Brückle und der Kulturtheoretikerin Siri Peyer, hat Rachel Mader das Projekt «Flüchtiges Sammeln» ins Leben gerufen. Es wird vom Schweizerischen Nationalfonds SNF mit 970’000 Franken unterstützt.
«Kunst lebt von der Grenzüberschreitung»
Die Schwierigkeiten beginnen schon beim Begriff der Performance. Rachel Mader: «Ich will und kann nicht definieren, was unter einer Performance verstanden wird. Jede Festlegung würde von der nächsten Performance sofort wieder gesprengt. Kunst lebt von der Grenzüberschreitung.» Auch Genre oder Aufführungsort lassen nur bedingt Rückschlüsse zu, wenn etwa heute Tänzer von Museen als «Artists in Residence» gebucht werden und sie ihre Werke dann in Ausstellungssälen oder Foyers zeigen.
Käuferinnen und Verkäufer von Performances müssen ausserdem ganz praktische Probleme lösen. Wie kann eine Performance neu inszeniert und vermittelt werden? Manchmal bleibt, wenn die Performance aufgeführt wurde, ausser der Erinnerung und vielleicht ein paar Gegenständen oder einem Video nicht mehr viel. «Es ist – etwas zugespitzt gesagt – als hätte es die Performance nie gegeben», sagt Mader.
Manche Performances, etwa die hunderte Stunden dauernde Aktion «The Artist is present» von Marina Abramovic, sind ohne die Anwesenheit der Künstlerinnen und Künstler selbst nicht möglich. Und wer an Banksys Coup denkt, als sich das Bild «Girl with Balloon» nach dem Verkauf auf einer Kunstauktion selbst schredderte, weiss, dass sich manche Performances auch gar nicht sammeln, konservieren oder wiederholen lassen.
Auch die Frage, wie ein Verkauf fixiert werden kann, stellt sich als schwierig heraus, weil manche Künstler auf mündlichen Vereinbarungen bestehen, während andere jedes Detail in umfangreichen Verträgen regeln wollen.
Internationale Zusammenarbeit mit Schweizer Fokus
In den nächsten vier Jahren wollen Mader und ihr Team ein Online-Kompendium verfassen, das exemplarisch Fragen beantwortet, die sich beim Ankauf performativer Arbeiten ergeben. Dieses Kompendium bietet mit Instrumentarien wie Checklisten und Vertragsmustern weitere Hilfen, dokumentiert Fälle und macht Vorschläge für die Entwicklung einer Best Practice.
Dafür wollen die Forscherinnen und Forscher eng mit nationalen und internationalen Experten zusammenarbeiten. «Flüchtiges Sammeln» fokussiert aber auf schweizerische Beispiele und will dafür nationale Museen, Galerien und Sammler als Kooperationspartner gewinnen.
Im Rahmen des Projektes sollen auch Performances entstehen, die gekauft, gesammelt und gezeigt werden. Zudem werden regelmässig Workshops stattfinden, etwa zu juristischen Fragen oder zum Erfahrungsaustausch mit Institutionen anderer performativen Künste wie Tanz, Theater und Konzerten.
Rachel Mader, Wolfgang Brückle und ihr Team begeben sich mit ihrem Projekt auf Neuland. Museen und andere Kulturinstitutionen seien für diese neue Art des Sammelns noch nicht gewappnet: «Erste Erfahrungen von Museen in New York, London, Amsterdam oder Malmö zeigen, dass bisher übliche Arbeitswege wie Inventarisieren, Dokumentieren, Konservieren und Vermitteln bei Performances durch ganz andere Abläufe ersetzt werden müssen», sagt Rachel Mader. «Diese könnten aber eine Chance sein für die Institutionen, denen oft Verknöcherung vorgeworfen wird.»