Ursina Kellerhals hat schon als Kind ihrem Grossvater im Bienenhaus geholfen; heute besitzt sie selber 14 Bienenvölker und erntet 150 bis 200 Kilogramm Honig pro Jahr. Zudem amtet sie als Betriebsprüferin für Imkereien und nimmt Prüfungen von angehenden Bienenzüchtern ab.
Hauptberuflich arbeitet Kellerhals als Dozentin am Institut für Kommunikation und Marketing der Hochschule Luzern. Seit letztem Jahr nimmt ihr Hobby aber auch einen gewichtigen Platz im Arbeitsalltag ein: Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team versucht sie herauszufinden, ob in der Schweiz die Errichtung eines kombinierten Schulungs- und Informationszentrums zum Thema Imkerei sinnvoll ist. Die Idee für dieses Vorhaben stammt von Rolf Andres, ebenfalls Imker, der als Geschäftsführer der Firma Beewell speziellen neuseeländischen Honig importiert. Er hat an der Hochschule Luzern einen MBA absolviert.
Kleine Tiere – grosse Wirkung
Spätestens seit dem Film «More Than Honey» sei das Interesse an der Imkerei enorm gewachsen, erklärt Kellerhals. Die zweijährigen Grundkurse seien gut besucht und es gebe viele Anfragen von Laien, die einen Blick in ein Bienenhaus werfen möchten.
Die grosse Aufmerksamkeit kommt den Bienen zu Recht zu: Viele Nutzpflanzen tragen nur Früchte, wenn sie bestäubt werden. Schweizweit sind laut der Forschungsanstalt Agroscope über 50’000 Hektaren Acker-, Obst- und Beerenkulturen davon betroffen. Die Bestäubungsleistung der Bienen hat damit einen Wert von rund 350 Millionen Franken pro Jahr. Doch seit den 1980er-Jahren werden Bienen in der Schweiz durch die Varroa-Milbe bedroht. Die Bekämpfung des Parasiten ist eine grosse Herausforderung. Deshalb besteht unter Imkern diesbezüglich sehr viel Weiterbildungsbedarf.
«Manchmal ist es ein Masochistenhobby»
Vor diesem Hintergrund starteten Kellerhals, Andres und weitere Expertinnen aus dem Hochschulumfeld eine von Innosuisse mitfinanzierte Studie, um das Potenzial eines Bienenzentrums zu eruieren. Den Auftakt bildete ein zweitägiger Kreativworkshop am Future Forum (siehe Kasten) in Luzern mit Imkern, Tourismusexpertinnen und -experten sowie Laien. Zusätzlich befragte das Forschungsteam Personen, die Imker ausbilden oder ein touristisches Angebot zum Thema Bienen betreuen – wie etwa einen Lehrpfad.
Das Fazit: Ein kombiniertes Ausbildungs- und Ausstellungszentrum könnte die Bedürfnisse von Imkerinnen und Imkern und das Interesse der breiten Bevölkerung abdecken. «Es ist jedoch eine knifflige Aufgabe, ein attraktives und nachhaltiges Angebot für beide Zielgruppen zu konzipieren», sagt Kellerhals. Zudem könne man Bienen nur beschränkt zu Demonstrationszwecken verwenden. «Wird ein Volk allzu häufig gestört, geht es ein.»
Insbesondere Jungimkerinnen und -imker könnten von einem zusätzlichen Bildungsangebot profitieren. Laut Bruno Heggli, Grundkursleiter im aargauischen Freiamt, bleibt derzeit nur rund ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen der Imkerei längerfristig treu. Wenn ihnen während der ersten Jahre eine Instanz für Fragen zur Verfügung stünde, wäre das wertvoll, denn Kursleiterinnen und -leiter kommen bei der notwendigen intensiven Betreuung – auch über den Grundkurs hinaus – teils an ihre Grenzen.
Kellerhals ergänzt: «Dieses Hobby wird leicht unterschätzt.» Vor allem im Sommer sei die Imkerei sehr arbeitsintensiv. Man müsse die Gesundheit der Völker im Auge behalten, schwere Lasten heben und natürlich Stiche ertragen. «Wenn man angespannt ist, reagieren die Tiere rasch gereizt», sagt sie und schmunzelt. «Manchmal ist es halt ein Masochistenhobby.» Doch sie relativiert im selben Atemzug: «Die Bienen geben mir extrem viel Energie und Ruhe. Zudem produzieren sie mit Honig, Wachs und Propolis wunderbare Produkte.»
Virtuelle Bienen für die Ausbildung
Aus der bisherigen Arbeit des Forschungsteams haben sich verschiedene Lösungsansätze herauskristallisiert, die auf digitale Kommunikationsmittel setzen: Ein Beispiel dafür wäre ein Chat für Imkerinnen und Imker. Über diesen sollen sie aus dem Bienenhaus heraus Fragen stellen und mit Fotos oder Videos anreichern können, die unmittelbar von Fachleuten beantwortet werden. So können Krankheitsanzeichen schon früh erkannt und Unsicherheiten geklärt werden.
Zudem wird der Einsatz von Virtual Reality in der Imkerausbildung geprüft. Dafür arbeitet Kellerhals mit dem VR- und Gaming-Spezialisten Richard Wetzel von der Hochschule Luzern und dem Schweizer Imkereiverband BienenSchweiz zusammen. Kellerhals: «Es soll ein didaktisches Virtual-Reality-Spiel entstehen, welches einen Bienenstand simuliert. Durch die Entscheidungen, die im Spiel ständig getroffen werden, wächst die imkerliche Erfahrung. Wenn das funktioniert, könnte man unsere Entwicklung für interessierte Laien adaptieren – so können sie noch tiefer in die Welt der Biene eintauchen.»