Exotische Stoffe made in Switzerland – was kurios tönt, galt im 18. Jahrhundert als Qualitätssiegel: Hersteller aus Genf, Neuenburg oder Glarus exportierten damals sogenannte Indiennes, mit farbigen Mustern bedruckte Baumwollstoffe, in alle Welt. Die Drucktechnik dazu hatten Händler aus Indien importiert. Aufgrund des wirtschaftspolitisch günstigen Umfelds entstanden aber just im Binnenland Schweiz besonders viele Indiennes-Manufakturen.
Laut Tina Moor von der Hochschule Luzern erleben Indiennes-Motive derzeit eine Renaissance, auch wenn sie nicht mehr nur auf Baumwolle gedruckt werden. «Wenn man sich auf der Strasse umschaut, sieht man die typischen blumigen Muster überall», sagt die Textildesign-Forscherin und Dozentin. Welches kreative Potenzial Indiennes noch heute bieten, demonstrieren Moor und ihr Team zusammen mit Textil-Studierenden im Rahmen der Ausstellung «Indiennes neuchâteloises» des Musée d’art et d’histoire Neuchâtel MahN.
Erstmals zeigt das Museum seine Sammlung historischer Indiennes-Stoffe – von der Tapete bis zum Mantel – und zeichnet die Geschichte des Textilstandorts Neuenburg nach. Um einen Bogen in die Gegenwart zu schlagen, beauftragten die Kuratoren Moor und ihr Team, Neuinterpretationen der Indiennes-Motive zu wagen. Moor: «Wir liessen uns von den traditionellen Mustern inspirieren und entwickelten sie weiter.» Das MahN zeigt die neuen Entwürfe jeweils im Tandem mit ihren Vorbildern.
Umrankte Gullys und Kirschensocken
Die angehenden Textildesignerinnen bewiesen Mut zum Schrägen: Da weichen die üblichen Blumenmotive etwa Kanaldeckeln, um die sich Ranken schlängeln, und Rosen verwandeln sich in fleischfressende Pflanzen.
«Die alten Stoffe sind wahre Schätze, weil sie Geschichten erzählen, aus denen wir für unsere Designs schöpfen konnten», erzählt Studentin Lea Fankhauser. Das von ihr entworfene Kirschenmuster hat es auf die Socken geschafft, die nun im Museumsladen verkauft werden.
«Die alten Stoffe erzählen Geschichten und liefern uns Ideen für unsere Designs.»
Lea Fankhauser, Textildesign-Studentin
Zu den studentischen Kreationen für den Shop gehören auch Buchzeichen, Schals, Flaschen oder Kalender mit Indiennes-Mustern – alles «limited editions», so Tina Moor. Die Produktionskapazitäten der Hochschul-Ateliers seien begrenzt, und für professionelle Hersteller rentierten die kleinen Stückzahlen nicht.
«Uns geht es auch weniger darum, Produkte zu verkaufen, sondern aufzuzeigen, wie breit sich Indiennes-Muster einsetzen lassen; ob auf Textilien, auf Kunststoff oder auf Papier.» Für die Bachelor-Studierenden bot das Projekt die Chance, mit einem echten Kunden zusammenzuarbeiten; noch dazu einem, der ihre Arbeit der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Nun warten sie gespannt auf Reaktionen. «Das war eine gute Vorbereitung fürs Berufsleben», sagt Lea Fankhauser rückblickend. Zudem sei es «enorm motivierend», wenn der eigene Entwurf umgesetzt werde.
Die Ausstellung läuft bis 20. Mai 2019.