Als Tobias Schär am 1. April anfing, alte Computer zu sammeln und an Menschen zu verteilen, die dringend einen brauchten, da ahnte der 26-Jährige – mitten im Lockdown – noch nicht, was auf ihn zukommen würde. Jetzt, fast neun Monate später, hat Schär mit seinem neunköpfigen Team und dem Verein «Wir lernen weiter» über tausend Computer entgegengenommen und an Schüler, Stellensuchende oder Migrantinnen weitergegeben. Er hat die Website «wir-lernen-weiter.ch» aufgebaut, über die sich Interessierte melden können – Interessierte, die nicht das nötige Geld haben, um sich einen Laptop zu kaufen. Und Interessierte, die Geräte spenden wollen. Aber nicht nur das: Tobias Schär, der berufsbegleitend Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Luzern studiert, hat mit seinem Team im Hintergrund eine technische Infrastruktur aufgebaut, die es erlaubt, gleichzeitig 33 Geräte aufzubereiten. Ein bis zwei Mal im Monat bestellt er am Samstag – natürlich coronakonform – 30 Menschen pro Stunde zu sich nach Merenschwand im Aargau, wo sie die Geräte entgegennehmen können. Die Aktion dauert jeweils bis in den Abend.
Weg vom Alleingang, hin zu einem Team
«Im Studium habe ich viel über Projekt- und Prozessmanagement gelernt», sagt Schär. «Ohne das und ein gewisses Mass an Selbstorganisation hätte ich Arbeit, Studium und Projekt nie unter einen Hut bringen können.» Auch von Smart-up, dem hochschuleigenen Programm für Start-ups, wurde «Wir-lernen-weiter» unterstützt, profitierte vom Netzwerk der Coachs und bekam konstruktive Kritik für die Bekanntmachung seiner Aktivitäten.
Tobias Schär ist ein sehr organisierter und effizienter Mensch. Er hat natürlich schnell gemerkt, dass die Aktion zwar ehrenwert ist und den mit Laptops Ausgestatteten das Leben enorm erleichtert. Aber dass sie ihm auch sehr schnell über den Kopf wachsen kann und ihm kein Geld einbringt. Klar, er spielt das gerne runter und sagt, dass er jetzt halt die eine oder andere Netflix-Serie weniger schaut und auch seltener gamen kann. Aber natürlich verschlingt es doch viel Zeit und Kraft, die gebrauchten Laptops von Privatpersonen oder Firmen zu organisieren, neu aufzusetzen und an die richtigen Leute weiterzugeben. Bis August hat Schär, der als Unternehmensberater im Softwarebereich arbeitet, alles allein bewerkstelligt. Jede dieser Personen hat einen eigenen Aufgabenbereich. Schärs Freundin kümmert sich beispielsweise um das Marketing, ein anderer Wirtschaftsinformatiker um Vertragliches und ein Feuerwehrkamerad bereitet die Geräte auf und stellt sie bereit. Das Team braucht auch weiterhin tatkräftige Unterstützung; aktuell werden weitere Mitglieder für den Akquise- und Marketingbereich gesucht.
Die Digitalisierung hat Konsequenzen – zum Beispiel für die Stellensuche
Mit dieser Unterstützung hat sich Tobias Schär die Zeit freigeschaufelt, um sich ums Grundsätzlichere zu kümmern. Stolz präsentiert er eine Schweizkarte, die verzeichnet, mit wie vielen Sozialdiensten die Gruppe bereits Kontakt aufgenommen oder sogar schon Kooperationen vereinbart hat.
«Wir bieten mittlerweile einen Service Public», sagt Schär mittlerweile selbstbewusst. Für die Gemeinden käme es viel günstiger, wenn sie beispielsweise Stellensuchenden einen Laptop zur Verfügung stellten, als wenn sie ihn noch drei Monate lang unterstützen müssen, weil die Stellensuche ohne Computer viel schwieriger, wenn nicht unmöglich ist. «Vom Geld, das gespart wird, weil da einer schneller eine neue Stelle findet, könnten Gemeinden wieder mehr Geräten beschaffen», erklärt Schär. Er sei überrascht gewesen, wie wenig Gedanken sich manche Sozialdienste darüber machen, dass Menschen ohne Anschluss an die digitalisierte Gesellschaft nur schwer an die Informationen kommen, die sie brauchen, um Arbeit zu finden. Auch Schulen, die das Team mittlerweile direkt anspricht, wüssten oft nicht, wie nötig manche Schüler einen Laptop hätten.
Die Arbeit für «Wir lernen weiter» hat Schär politisiert. Mitte Mai trat er der Grünliberalen Partei bei. Er ist überzeugt: «Mit meinem Netzwerk kann ich da viel bewegen. Ich kann zeigen, dass man nicht so viel labern soll, sondern einfach mal was tun.»