CO₂-Speicherung: mit Algen statt Bäumen

Drei kluge Köpfe, eine innovative Idee und jede Menge grüne Energie: Das Start-up Arrhenius setzt auf Algen, um CO₂ aus der Atmosphäre zu binden und so aktiv zum Klimaschutz beizutragen. Was an der Hochschule Luzern als Projekt im Labor begann, befindet sich inzwischen im zweiten Jahr der praktischen Erprobung.

Karina von dem Berge, Reto Tamburini und Mirko Kleingries verfolgen ein ambitioniertes Ziel: Sie wollen möglichst viel CO₂ aus der Atmosphäre entfernen und langfristig speichern – und das mit Hilfe von Mikroalgen. Das Gründerteam kennt sich durch ihre Tätigkeit an der HSLU. Gemeinsam gründeten sie 2023 das Unternehmen Arrhenius – benannt nach dem schwedischen Wissenschaftler Svante Arrhenius, der bereits 1896 die vom Menschen verursachte globale Erwärmung vorhersagte.

Die Methode zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid ist eine technologische Innovation. Im Gegensatz zur herkömmlichen Algenzucht in offenen Becken, den sogenannten «open raceway ponds», benötigen die Fotobioreaktoren von Arrhenius deutlich weniger Fläche und liefern eine wesentlich höhere Ausbeute pro Quadratmeter. Sonnenlicht dient dabei als Hauptenergiequelle, was die Produktion kostengünstig und energieeffizient macht.

Die Idee dazu hatte Mitgründer Mirko Kleingries bereits vor über zehn Jahren. Der studierte Maschinenbauingenieur und Professor an der HSLU forscht seit fünf Jahren an Technologien zur CO₂-Abscheidung. Reto Tamburini untersuchte seinerseits dann für seine Masterarbeit in Maschinenbau an der HLSU die Mikroalgenproduktion im Detail und entwickelte erste Reaktoren im Labormassstab. Karina von dem Berge bringt das unternehmerische Denken ein. Sie ist Dozentin an der HSLU und hat Design und Betriebswirtschaft mit Fokus auf Geschäftsentwicklung studiert.

CO₂-Bindung mit Lagerpotenzial

Die Methode von Arrhenius nutzt die Fähigkeit von Algen, Kohlenstoffdioxid aus der Luft zu absorbieren. Algen wachsen deutlich schneller als Bäume. Für jedes Kohlenstoffatom, das in Biomasse gebunden wird, wird ein Molekül CO₂ aus der Atmosphäre entfernt. Ein Kilogramm in Algenbiomasse gebundener Kohlenstoff entspricht rund 3,7 Kilogramm entferntem CO₂.

Ein weiterer Vorteil: Algen lassen sich gut lagern, ohne dass der gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt wird. Bei geeigneten Lagerbedingungen bleibt die Biomasse über 1000 Jahre stabil. Das bedeutet, dass das CO2 permanent aus der Atmosphäre entfernt wird. Hingegen bei der Zersetzung oder Verbrennung von herkömmlichen Pflanzen wird der Kohlenstoff erneut in die Atmosphäre abgegeben.

Förderung und Unterstützung

Das Start-up Arrhenius erhält breite Unterstützung. Gefördert wurde es unter anderem von der Gebert Rüf Stiftung, dem Kanton Luzern, dem Greenhouse Gas Fund (Tech Cluster Zug AG) und der Stiftung Infinite Elements. Die Fördergelder dienen der Weiterentwicklung der Reaktortechnologie.

Derzeit setzt das Unternehmen auf die Algensorte Chlorella, die zwar eine hohe CO₂-Aufnahme ermöglicht, aber viel Licht und Wärme benötigt. Diese Bedingungen sind in der Schweiz nicht ganzjährig gegeben. Daher plant Arrhenius langfristig grössere Produktionsanlagen in sonnigeren Regionen zu errichten, um eine ganzjährig hohe Produktivität zu erreichen.

Algen als Rohstoff und Plastikersatz

Neben der Entfernung von CO₂ verfolgt Arrhenius ein weiteres Ziel: die Nutzung von Algen als Schlüsselressource für eine nachhaltige Bioökonomie. Das Start-up produziert Algenbiomasse, die als nachhaltiger Rohstoff beispielsweise in der Lebensmittelbranche für natürliche Farbstoffe oder in der Herstellung von Bioplastik eingesetzt werden kann. Besonders vielversprechend ist hier die Mikroalge Spirulina, die bereits heute vielfältig verwendet wird.

Die technologische Weiterentwicklung der Reaktoren sowie die Erforschung weiterer Algensorten stehen derzeit im Fokus. So will Arrhenius Anstösse zur Transformation hin zu einer zirkulären, kohlenstoffarmen Wirtschaft geben.

Durch die dauerhafte Einlagerung der Algenbiomasse entstehen zudem auch sogenannte «CO₂ Removal Certificates (CORCs)», mit denen Unternehmen und Organisationen ihre unvermeidbaren Restemissionen kompensieren können.

Grüne Revolution in Rothenburg

Seit Mai ist der Arrhenius-Reaktor in Rothenburg wieder in Betrieb und mit einer frischen Algen-Starter-Kultur befüllt. Betreut und untersucht werden die Kulturen vom HSLU-Labor aus. Der Unternehmenssitz des Start-ups liegt denn auch in Horw am Standort des Departements Technik & Architektur. Während das Team rund um die Gründer und die Gründerin wächst, bleibt das Ziel unverändert: Emissionen möglichst vermeiden – und wenn das nicht geht, durch CO2-Entfernung ausgleichen. Zwei Stossrichtungen, ein Ziel: den CO₂-Anteil in der Atmosphäre reduzieren und damit aktiv zum Klimaschutz beitragen.

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