Hätten Lynn Balli, Renée Zeller und Irina Nobs einen Namen für ihr Projektteam wählen müssen, er hätte «Die Nachteulen» gelautet. «Wir gehen alle gerne spät zu Bett und träumen viel», sagt Lynn Balli lachend. So lautete auch das Resultat eines Fragebogens zu ihrem Schlafverhalten, den sie und zwölf weitere Studentinnen der Hochschule Luzern ausgefüllt haben.
Die fünfzehn Frauen – damals alle im zweiten Jahr des Bachelor Textildesign – wurden anhand der Ergebnisse des Fragebogens von ihren Dozierenden in Dreiergruppen eingeteilt. Der Auftrag: für die Unterwäsche-Produzentin Calida aus Sursee eine Pyjama-Kollektion entwerfen, die um das Motiv des Träumens kreist.
«Realitätscheck» für den Beruf
Projekte mit Industriepartnern wie dieses sind ein zentraler Bestandteil des Curriculums. Sie zwingen die Studierenden zu einem «Realitätscheck» ihrer Arbeit, wie Textildesign-Leiterin Lilia Glanzmann sagt: «Welche Ideen lassen sich umsetzen, wie reagieren Kundinnen auf meine Arbeit, wie gehe ich mit diesen Reaktionen um?» Die Zusammenarbeit sei wichtig für den Einstieg ins Berufsleben nach dem Studium, aber auch um frühzeitig ein eigenes Netzwerk aufzubauen.
Für Lilia Glanzmann und das Projektteam um Dozentin Brigitt Egloff war Calida als Kooperationspartnerin prädestiniert. Das Unternehmen sei international erfolgreich unterwegs und trotzdem in der Zentralschweiz verankert, so Glanzmann. Der Firma bot die Zusammenarbeit andererseits die Gelegenheit, junge Talente in der Textilbranche zu fördern.
Mit Eigensinn zum Erfolg
Das «Nachteulen»-Trio liess sich bei seiner Arbeit vom surrealen Zeichenstil der Serie «Midnight Gospel» (USA, 2020) inspirieren. Einer der beiden Entwürfe steht mit den ineinander übergehenden Treppen, Flüssen und Fischen ganz in der Tradition der sogenannten unmöglichen Räume M.C. Eschers. Das zweite Pyjama-Design prägen derweil riesige Augen mit Pupillen aus Sternen und Mondgesichtern. Die Augen bieten einen Einblick in eine Traumwelt, die laut den Studentinnen «schön, witzig, aber auch schräg sein kann».
In einem entscheidenden Punkt wichen die drei Studentinnen von den Vorgaben des Auftrags ab: Statt eine Kollektion für Frauen zu entwerfen, richten sich ihre Pyjamas explizit an alle Geschlechter. «Wieso müssen Frauen-Pyjamas immer mit Blumenmotiven versehen sein und die für Männer immer mit Karos?», fragt Lynn Balli rhetorisch. «Wir wollten diese Klischees unterlaufen.» Ihre Entwürfe sind daher neutral gehalten und orientieren sich in ihrer Verspieltheit an Kinder-Pyjamas.
Für die «Nachteulen» zahlte sich dieser Eigensinn am Ende aus: In einem Wettbewerb im Anschluss an die sechswöchige gestalterische Phase kürte eine Jury aus Vertreterinnen von Calida und der HSLU die besten Designs – die Unisex-Entwürfe von Balli, Zeller und Nobs setzten sich durch.
Pyjamas kommen in den Handel
Interessierte können sich bald mit einem «Nachteulen»-Original ins Land der Träume kuscheln. Calida lässt die Entwürfe der drei HSLU-Studentinnen derzeit als limitierte Capsule Collection mit rund 3’000 Teilen produzieren. Die Kollektion ist ab Mai online sowie in ausgewählten Calida-Stores, unter anderem in Luzern, erhältlich – das Tüpfelchen auf dem I für Lynn Balli, Renée Zeller und Irina Nobs, die im Sommer ihr Bachelor-Studium abschliessen: «Wir sind stolz darauf, dass unsere Arbeit bald im Schaufenster zu sehen und im Laden zu kaufen sein wird», sagt Balli. «Das fühlt sich ungefähr so absurd an wie unsere Traumwelten.»