Work-Life-Balance: Gesunde Grenzen setzen

In vielen Berufen verschwimmen Arbeitszeit und Freizeit. Einigen Menschen kommt die neue Flexibilität sehr entgegen, für andere ist sie eine Last. Wie man seine Grenzen erkennt und die Balance hält, darüber forscht Arbeitspsychologin Leila Gisin an der Hochschule Luzern.

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Zur gleichen Zeit, stets am selben Ort, mit vorgegebenen Pausen, klaren Aufgaben und Prozessen: Derart strukturiertes Arbeiten wird immer seltener. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien verändern die Arbeit und das Bild des arbeitenden Menschen. «Wir sprechen heute vom Virtual Man», sagt Arbeitspsychologin Leila Gisin von der Hochschule Luzern. «Dieser zeichnet sich unter anderem durch die Nutzung digitaler Tools und seine Vernetzung aus.» Die Folge: Die Grenzen zwischen Job und Privatleben zerfliessen.

Stress rechtzeitig erkennen

«Für viele Menschen ist dieser Wandel eine riesige Herausforderung und oft mit der Angst um den Arbeitsplatz verbunden.» Nicht selten endet das mit gesundheitlichen Problemen: Laut JobStress-Index 2016 fühlt sich ein Viertel der Schweizer Erwerbstätigen erschöpft und gestresst. Etwa sechs Prozent stehen gar am Rande eines Burnouts. «Arbeitgeber sind gefordert, ihre Mitarbeitenden zu schützen», betont Gisin und verweist auf eine aktuelle Kampagne des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV, die zeigt, wie wichtig die Balance für die Gesundheit ist.

Damit es nicht zu einer Krise kommt, müsse jedoch auch jeder Einzelne seine Grenzen kennen, so Gisin. «Boundary Management» nennt sich das Fachgebiet, das sich diesem Thema widmet. «Voraussetzung für einen positiven Umgang mit den eigenen Ressourcen und Bedürfnissen ist, dass man weiss, was genau einen stresst», sagt die Expertin. Sie beobachtet, dass wir oft inkonsequent sind, wenn es darum geht, Arbeit und Freizeit zu trennen.

Das bedeutet, wir verschieben Grenzen situativ: Manch einer möchte zwar abends nicht vom Chef angerufen werden, ist aber bei einem spezifischen Projekt bereit, am Wochenende einen Sonderdienst zu leisten. Jemand anderes fühlt sich normalerweise gestört, wenn der Partner während der Arbeitszeit im Büro anruft, telefoniert wegen gesundheitlicher Probleme der Schwester aber während einiger Wochen täglich mit dieser. Ein Dritter fühlt sich in einem Job mit Nähe zum Team zwar am wohlsten, wäre aber aufgrund privater Umstände plötzlich froh, wenn er von zu Hause aus arbeiten könnte. Es braucht also je nach Situation und Lebenslage ganz unterschiedliche Lösungen.

Klare Abmachungen treffen

Je besser man sich kennt, umso einfacher kann man entsprechende Massnahmen ergreifen. Das hiesse zum Beispiel: Mit dem Chef, den Kollegen oder dem Partner klare Abmachungen bezüglich der eigenen Erreichbarkeit treffen. Nein sagen, wenn man zu viel um die Ohren hat. Oder, wenn die am Arbeitsplatz gebotene Struktur nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, den Job wechseln. Eigenverantwortung spiele hier eine enorme Rolle, sagt Gisin, das versuche sie auch ihren Studierenden beizubringen: «Sich gut zu organisieren, wird mehr denn je gefordert und ist auch neben dem Studium und Beruf wichtig, um nicht in Dauerstress zu geraten.»

Doch was tun, wenn die eigenen Bedürfnisse denen der Chefin oder des Partners entgegenstehen oder man als vorgesetzte Person Schwierigkeiten hat, es allen Mitarbeitenden recht zu machen? «Oft liegt das Problem nicht in den unterschiedlichen Erwartungen, sondern darin, dass man nicht darüber redet oder Situationen falsch interpretiert», erklärt Gisin. Sie kenne unzählige scheinbare Problemfälle, die sich gelöst hatten, nachdem ein «offenes Wort» gesprochen wurde. «Am besten klärt man solche Punkte bereits im Vorstellungsgespräch oder am Anfang eines Projekts». Denn: Wo die Arbeit aufhört und die Freizeit anfängt, das kann man zwar nicht allein entscheiden, aber immer noch mitbestimmen.

Sieben Tipps für ein erfolgreiches Boundary Management

1.) Prioritäten setzen: Aufgaben der Reihe nach angehen, Wichtiges und Dringendes zuerst tun.

2.) «Nein» sagen, aber Alternativen vorschlagen, z. B. «Ich kann mich jetzt nicht darum kümmern, aber gerne morgen».

3.) Aufgaben abgeben/delegieren: Weder im Job noch im Privatleben muss man alles selbst machen.

4.) Nicht immer alles perfekt machen wollen: Manchmal reicht auch, das Nötigste zu tun

5.) Unterstützung suchen: Manchmal sind andere besser/schneller, also ruhig um Hilfe bitten.

6.) Miteinander sprechen: Nur so erfährt man, was andere von einem erwarten, und kann die eigenen Bedürfnisse formulieren.

7.) Sich selbst kennen: Wie wichtig ist mir die Abgrenzung von Beruf und Privatleben?

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