Bau und Technik im Digitalisierungswirbel

Ob Internet of Things, Smart Cities oder digitale Zwillinge von Bauwerken und Maschinen – die Digitalisierung hat die Architektur- und Ingenieursberufe im Sturm erobert und verändert sie weiterhin. Da gilt es, die Studierenden auf die Berufswelt von Morgen vorzubereiten. Wie wird sie aussehen? Drei Experten wagen Prognosen.

Berufswelt im Digitalisierungsstrudel: Digital Construction und Digital Engineering

Anstatt mit verschiedenen Bauplänen werden in Zukunft alle Beteiligten an einem digitalen Modell arbeiten.

Die Hochschule Luzern bietet ab Herbst 2020 zwei neue Bachelor-Ausbildungen an: Digital Construction und Digital Engineering. Bei den dreijährigen Studiengängen handelt es sich schweizweit um die ersten ihrer Art. Sie vermitteln Studierenden das nötige Wissen, um die Chancen der Digitalisierung in vielfältiger Hinsicht – Nachhaltigkeit so gut wie Wirtschaftlichkeit – zu erkennen und in neuen Geschäftsmodellen, Produkten und Prozessen umzusetzen.

Die Digitalisierung ist ein anhaltender Prozess, der die künftigen Anforderungen auf eine Art und Weise verändert, die sich heute nur erahnen lassen. Deshalb ist es zentral, dass die Studierenden selbstständiges Lernen lernen und sich auf den Grundlagen ihres Bachelor-Studiums auch nach dem Studium weiterhin gezielt Wissen in neuen Bereichen aneignen können.

Markus Weber und Mark Baldwin leiten gemeinsam den neuen Bachelor-Studiengang Digital Construction, Prof. Dr. Björn Jensen ist Studiengangleiter Digital Engineering. Sie blicken an dieser Stelle zurück und nach vorn: Wie sah die Zusammenarbeit in der Bauplanung und in der Produkteentwicklung vor zehn Jahren aus? Was erwartet Berufsleute in zehn Jahren?

Bauplanung gestern und morgen

3D – BIM

2010: 3D etabliert sich langsam. Das Bewusstsein setzt sich durch, dass 3D-Modeling – die vernetzte Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software – das Bauen in Zukunft prägen wird.

2030: BIM – Building Information Modeling – ist Standard. Für die Planung wird ein virtuelles Abbild, ein so genannter «digitaler Zwilling» eines Gebäudes erstellt, der alle relevanten Informationen enthält. So können Auswirkungen von Entscheidungen visualisiert und Wechselwirkungen jederzeit nachvollzogen werden.

Verschiedene Dokumente – ein Informationsmodell

2010: Architekten erstellen Pläne und Modelle, Gebäudetechnikerinnen zeichnen auf dieser Grundlage ihre eigenen Pläne und die Bauingenieure stellen ihre Berechnungen wiederum in eigenen Dokumenten an. Wird an einer Stelle etwas verändert, müssen alle ihre jeweiligen Pläne einzeln anpassen.

2030: Architektin, Bauingenieur und Gebäudetechnikerin treffen sich in der Cloud und entwickeln gemeinsam den digitalen Zwilling. Meetings finden in einer virtuellen Umgebung aus Daten und Bildern statt; die Teilnehmenden bewegen sich darin wie in einem realen Gebäude.

Nacheinander und vor Ort – dezentral und gleichzeitig

2010: Betonteile oder Ziegel werden zur Baustelle gebracht, die Mauern vor Ort Stein für Stein aufgebaut, Leitungen eingefügt. Nur Fenster und Türen werden fertig angeliefert und eingesetzt.

2030: Die Gebäudeelemente werden gleichzeitig an verschiedenen Orten vorfabriziert und danach auf die Baustelle gebracht. Hier werden sie nach einem genauen Taktplan zusammengefügt. Die Zeit vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnungsfeier wird wesentlich verkürzt.

Flexibilität noch während des Bauprozesses – Flexibilität nur bis Baubeginn

2010: Falls nötig, fällt der Architekt Entscheidungen noch auf der Baustelle, während das Fundament bereits steht. Mauern werden dann entsprechend der neuen Idee hochgezogen, die Gebäudetechnikerin passt ihre Pläne an und Bauingenieure überprüfen, ob ihre Berechnungen noch Gültigkeit haben.

2030: Der digitale Zwilling wird vor Baubeginn abgenommen. Anschliessend sind keine Änderungen mehr möglich, denn die Gebäudeteile werden auf dieser Basis parallel vorfabriziert.

Alles verlernen, um alles neu zu denken: Auf unlearn.hslu.ch finden sich die Informationen zu den beiden neuen Studiengängen Digital Construction und Digital Engineering.

unlearn.hslu.ch

Engineering gestern und morgen

Interdisziplinär International

2010: Entwicklungsprojekte werden immer interdisziplinärer. Etablierte Ingenieurdisziplinen beginnen eng aufeinander abgestimmt miteinander zu arbeiten und die Entwicklungen voranzutreiben.

2030: Entwicklungsprojekte werden international und unternehmensübergreifend durchgeführt. Durch die weltweite Vernetzung von Entwicklungsteams wird die Projektarbeit ohne Unterbruch vorangetrieben. Geht der Arbeitstag für ein Teil-Team zu Ende, schliesst sich nahtlos die Arbeit des nächsten Teil-Teams in Übersee an.

Räumliche Nähe – digitale Nähe

2010: Für die interdisziplinäre Arbeit werden Entwicklungsteams räumlich zusammengelegt und arbeiten in gemischten Teams an den Projekten. Mechanik und Elektronik werden zu mechatronischen Produkten kombiniert.

2030: Räumliche Nähe verliert an Gewicht: Digitale Kommunikation sowie digitales Projekt- und Dokumentenmanagement ermöglichen einen engen Austausch der interdisziplinären Entwicklungsteams über Länder und Kontinente hinweg. Zentral in der Entwicklung sind digitale Zwillinge, die als virtuelles Abbild physischer Produkte die Grundlage der weltweit verteilten Entwicklung bilden.

Genormt – durch und durch customized

2010: Verschiedene Produkte, zum Beispiel Fahrräder, bieten einige Möglichkeiten, sie auf individuelle Bedürfnisse angepasst einzustellen.

2030: Die digitalen Modelle der Produkte wie Fahrräder werden an ein digitales Abbild des Kunden angepasst und dann massgeschneidert gefertigt; die Digitalisierung macht «mass-customization» möglich.

Interessiert?

Erfahren Sie mehr über die Studiengänge Digital Construction und Digital Engineering.

unlearn.hslu.ch

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