Barrierefrei: «Wir müssen das Angebot bekannter machen»

Die Kontaktstelle «barrierefrei» der Hochschule Luzern unterstützt Studierende mit Beeinträchtigungen. Markus Born, der die Stelle bis August 2019 geleitet hat, erzählt über besondere Herausforderungen.

Symbolbild barrierefrei studieren

Markus Born, was sind die Aufgaben der Kontaktstelle «barrierefrei»?

Wir sind die zentrale Anlaufstelle für Studieninteressierte, Studierende und Mitarbeitende, wenn es um Fragen rund ums Studium mit Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen geht. Unser Ziel ist es, effektive oder potenzielle Benachteiligungen von Studierenden mit Beeinträchtigungen zu mildern. Diese Arbeit umfasst zwei Bereiche: die individuelle Beratung und Begleitung für einzelne Studieninteressierte und Studierende sowie die Information und Vernetzung unserer Mitarbeitenden zu allen Aspekten von Barrierefreiheit.

Welche Beeinträchtigungen kommen am häufigsten vor?

Wir sind erst seit Herbst letzten Jahres operativ und haben daher noch keine aussagekräftigen Zahlen. Die Häufigkeiten scheinen gleich zu sein wie an anderen Hochschulen: Psychische Beeinträchtigungen und Lese-/Rechtschreibeschwächen verschiedener Art erfordern eine besonders sorgfältige und individuelle Begleitung. Studierende mit Sinnes- und Mobilitätsbeeinträchtigungen sind in der Regel gut vernetzt und sehr kompetent im Umgang mit ihren Lebensvoraussetzungen. Sie sind fachlich durch entsprechende externe Stellen unterstützt und kommen daher mit vergleichsweise wenig persönlichem Support durch die Hochschule zurecht. Aber sie sind natürlich auch auf eine barrierefreie Infrastruktur und eine fürs Thema sensibilisierte Umgebung angewiesen.

Welches sind die grössten Herausforderungen bei der Betreuung beeinträchtigter Studierender oder der Beratung von Mitarbeitenden?

Die grösste Herausforderung liegt nicht bei der Beratung und Begleitung jener Studierenden, die den Weg zur Kontaktstelle bereits gefunden haben. Sobald es um konkrete Fragen geht – zum Beispiel zu Anträgen für den Nachteilsausgleich – ist die Kooperation auf allen Ebenen sehr gut. Die grösste Schwierigkeit besteht jedoch darin, das Angebot nach aussen und innen bekannt zu machen und Studieninteressierten zu zeigen, dass Studieren mit Beeinträchtigung eine Selbstverständlichkeit sein kann.

Welche Fortschritte konnten Sie seit dem Start der Kontaktstelle bereits erzielen?

Die Einzelsituationen stossen – sobald ein persönlicher Kontakt mit den involvierten Personen geknüpft ist – auf sehr viel Verständnis, Flexibilität und eine hohe Bereitschaft, Barrieren zu mildern, wo es nur geht. Die wirksamste Neuerung stellt eindeutig ein übergreifendes Konzept dar, welches einen klaren, verbindlichen Prozess im Umgang mit dem Nachteilsausgleich vorgibt. Das Vertrauen, das die einzelnen Studierenden mir in den Beratungen entgegenbringen, gehört zu den positiven Überraschungen, ist es doch nicht einfach, sich zu einem höchst persönlichen und schwierigen Thema zu öffnen.

Wo besteht noch Bedarf?

Einfach überall! Die Liste an erforderlichen Anpassungen ist endlos und ich kann fast keinen Schritt machen, ohne weiteren Handlungsbedarf zu sehen. Je nach Behinderung und nach Studienbereich sind natürlich ganz andere Dinge gefragt. Es geht oft schon bei einfachen Dingen los, wie etwa der Wahl einer adäquaten Schriftart und -grösse in Präsentationen oder Unterrichtunterlagen oder digitalen Alternativen zum Präsenzunterricht. Grössere Massnahmen sind zum Beispiel eine sehbeeinträchtigungsgerechte Signaletik oder die Ausrüstung der Rollstuhl-WC’s mit behindertengerechten Schliesssystemen. Und die wirklich grossen Brocken sind konsequent hindernisfreie Zugänge zu Gebäuden und Räumen und – allen voran – eine durchgängig barrierefreie Website. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Besonders achten müssen wir auch darauf, das Prinzip des Nachteilsausgleichs so anzuwenden, wie es gedacht ist: Gleiche Ziele und gleichwertige Leistungen auf möglicherweise anderen Wegen; kein anderer Beurteilungsmassstab bei Prüfungen und schon gar kein «Behinderungsbonus». Ein solcher wäre diskriminierend.

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