Albin Brun, die lange verpönte Volksmusik erlebt seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Wie erklären Sie sich das?
Hier spielen vermutlich verschiedene Faktoren zusammen: Wo Globalisierung und Digitalisierung dazu geführt haben, dass alle Grenzen gefallen sind, besinnt man sich vielleicht wieder stärker auf seine unmittelbare, authentische Umgebung und die eigenen Wurzeln. Sicher hat der Boom aber auch damit zu tun, dass sich die Volksmusik selbst geöffnet hat. Sie ist damit für ein breiteres, urbaneres Publikum interessant geworden, das sich jetzt vermehrt auch mit dieser Art Musik identifizieren kann.
Was ist anders an dieser neuen Volksmusik?
Durch innovative Akteure ist sie aus der vorher doch recht konservativen Ecke herausgekommen. Diese experimentierten mit anderen Musikstilen und Spielarten und zeigten sich offen für Einflüsse aus anderen Kulturen. Das wiederum hat auch den Nachwuchs inspiriert.
Wirkt die Volksmusik heute auch umgekehrt auf andere Musikstile ein?
Es wird in der ganzen Musikwelt registriert, dass Volksmusik wieder im Trend liegt. So hört man auch in kommerzieller Musik immer mal ein volkstümliches Instrument oder einen Jodel. Aber der Einfluss von Klassik, Jazz und World Music auf die Volksmusik ist natürlich wesentlich grösser als umgekehrt.
Verliert die Volksmusik durch diese neuen Elemente ihre eigene Identität?
Absolut nicht! Einerseits besteht ja die urchige, urschweizerische Musik weiter. Andererseits hält eine neue Generation das Volkmusik-Erbe durch ihre Experimentierfreude lebendig. Ich sehe die neuen Impulse viel mehr als Bereicherung denn als Konkurrenz zur traditionellen Musik.
Die Hochschule Luzern bietet schon länger einen Schwerpunkt in instrumentaler Volksmusik an und mit dem Hauptfach «Jodel» kam inzwischen der vokale Bereich dazu. Manche befürchten eine Verakademisierung der Volksmusik…
Diese Angst kann ich nicht nachvollziehen. Wir möchten auf allen Ebenen dafür sorgen, dass die Volksmusik vital bleibt. Wie alle Musikstudierenden erlernen die «Volksmusiker» ein breites Repertoire auf hohem musikalischem Niveau. Die meisten arbeiten nach dem Abschluss als Musikpädagoginnen und -pädagogen und sind daneben als Künstlerinnen und Künstler eng mit der Volksmusikszene verbunden. Wie unsere Dozierenden nehmen zudem auch die Studierenden aktiv am Musikleben in- und ausserhalb der Hochschule teil.
Welche Rolle spielt dabei das Volksmusik-Ensemble «Alpinis»?
Ich habe die «Alpinis» nun zwei Jahre geleitet, bevor zum neuen Studienjahr der Schwyzerörgeli-Dozent Markus Flückiger die Leitung wieder übernimmt. Für uns Ensemble-Leitende ist es immer ein Privileg, hier mit unglaublich spielfreudigen und neugierigen Studentinnen und Studenten – vom Hackbrettler bis zur Jodlerin – arbeiten zu dürfen. Spannend ist auch, dass sich sie Zusammensetzung der «Alpinis» jedes Jahr durch neu hinzukommende Studierende wieder verändert. Auch über das Ensemble hinaus haben unsere Studierenden immer wieder die Gelegenheit, den Draht zum Publikum zu pflegen – das nächste Mal an der «Stubete» in der Jazzkantine Luzern am 30. Oktober.