Die Ziele der Energiestrategie des Bundes sehen vor, bis ins Jahr 2050 den Energieverbrauch deutlich zu reduzieren, den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen und die energiebedingten CO2-Emissionen zu senken. Das setzt Anstrengungen in vielen Bereichen voraus: bei der Industrie, der Mobilität oder den Gebäuden. Letztere verursachen in der Schweiz etwa die Hälfte des Energieverbrauchs. «Neubauten haben mittlerweile einen sehr hohen energetischen Standard. Dadurch rücken die älteren Häuser und die Frage nach Sanierungsmöglichkeiten vermehrt in den Blick des Bundesamtes für Energie. Hier setzt das Projekt «SaNuInvest» der Hochschule Luzern an», sagt Projektleiter Marvin King vom Institut für Gebäudetechnik und Energie (IGE) der Hochschule Luzern. Der Bund kann zwar die Vorgaben machen und Sanierungen auch unterstützen, erzwingen jedoch kann er sie nicht. Deshalb unterstützte das Bundesamt für Energie (BFE) das Projekt «SaNuInvest», bei dem das IGE und das Institut für Finanzdienstleistungen IFZ der Hochschule Luzern eng mit Akteuren im Immobilienmarkt zusammenarbeiteten.
Besitzer von grossen Gebäudeparks erreichen
«SaNuInvest» beleuchtet die Sicht institutioneller Investoren, unter anderem von Pensionskassen, Städten und Gemeinden sowie Grossunternehmen. Marvin King erklärt: «Diese besitzen etwa die Hälfte der Gebäude in der Schweiz, und sie sind leichter zu erreichen als die Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern». Auch Rolf Moser, Leiter des BFE-Forschungsprogramms Gebäude und Städte, bestätigt: «Die Motivation und Kenntnisse professioneller Investoren ist definitiv ein Schlüsselfaktor um Energieanliegen umzusetzen».
In Workshops und Einzelinterviews und einer Konferenz mit Projektentwicklern, Bauherren, Betreibern und anderen Fachexperten analysierte das Projektteam einerseits, was institutionelle Investoren davon abhält, ihre Immobilien zu sanieren, und andererseits, was sie dazu motivieren könnte. In einem zweiten Schritt erstellten sie einen Leitfaden, wie Sanierungen anzugehen sind, damit sie ein Erfolg werden. Einmalig an dem Projekt ist, dass es gelang, die verschiedenen Akteure an einen Tisch zu bringen und nicht nur einen einzelnen Aspekt des Themas aufzugreifen, sondern institutionelle und wirtschaftliche Sichtweisen mit gesellschaftlichen sowie architektonischen und technischen Perspektiven zu verbinden.
Entscheidungen mit langfristigen Folgen
Warum zögern Investoren, wenn es um Sanierungen geht? Einerseits verlangen Sanierungen eine grössere Investition. Andererseits, haben King und sein Team festgestellt, wirkt die Komplexität des Themas abschreckend. Denn Entscheidungen, die vor einer Sanierung getroffen werden, haben Folgen, die sich oft erst langfristig auswirken. Um die Komplexität in den Griff zu bekommen, haben Marvin King und sein Team Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Sanierung herauskristallisiert und einen Leitfaden entwickelt – eine Checkliste, die es erleichtert, die verschiedenen Aspekte von Anfang an mitzudenken. Sie soll zum Sanieren motivieren, indem sie die Hemmschwelle abbaut.
Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Sanierung
Fünf wesentliche Faktoren tragen dazu bei, dass eine Sanierung nicht nur in der Planung und Umsetzung, sondern auch in den folgenden Jahrzehnten als erfolgreich betrachtet werden kann.
- An erster Stelle steht ein klares Pflichtenheft, das Ziele, Rahmenbedingungen und die Organisation festlegt und klärt, wer für was verantwortlich ist: für die Einhaltung der Richtlinien des Energiekonzepts und die angestrebte Ökobilanz, für das Raumprogramm, die Bauphysik, Materialien, Gebäudeautomation und Verkehrskonzept. Was als selbstverständlich erscheint, ist laut Marvin King erstaunlich häufig nicht oder unzureichend vorhanden. Er vergleicht das Pflichtenheft mit der Checkliste eines Piloten: «Jeder Pilot kann fliegen, aber er geht trotzdem vor dem Abflug die ganze Checkliste durch».
- An zweiter Stelle stehen Entscheidungen in Bezug auf die architektonische Qualität. Die Entscheidung für eine hohe Qualität hat Auswirkungen sowohl auf die Erstellungskosten, die höher ausfallen, als auch auf die Betriebskosten, die nur schon deshalb niedriger sind, weil eine attraktive Immobilie teurer vermietet werden kann. Darüber hinaus wird der Nutzungszyklus verlängert und Mieterwechsel sind in qualitativ hochwertigen Gebäuden seltener.
- Drittens schliesslich müssen Fragen der Gebäudetechnik geklärt sein. «Low-Tech oder sogar No-Tech ist das neue High-Tech», fasst Marvin King die Ergebnisse zusammen. Denn: Je weniger Technik eingebaut ist, umso geringer sind die Unterhaltskosten. In den letzten Jahren wurden die Gebäude mit immer komplexerer Technik ausgerüstet, um energetische Anforderungen einzuhalten oder um einen höheren Komfort zu erreichen. Rolf Moser vom Bundesamt für Energie sagt: «Das Thema Low-Tech ist unter anderem aufgrund der Workshops stärker in den Vordergrund gerückt und wird Eingang in aktuelle Ausschreibungen finden.»
- Schliesslich sind Verarbeitung und Ausführungsqualität sowie der laufende Unterhalt zu berücksichtigen.
Die grundlegenden Entscheidungen liegen nach wie vor bei der Bauherrschaft, sagt Marvin King: «Sie muss entscheiden, wie sie ein Objekt nützen will und wie viel Flexibilität für zukünftige nachhaltige Nutzungen möglich sein soll. Wir hoffen, dass die Erkenntnisse unseres Projektes nicht nur zum Erreichen der Energieziele des Bundes, sondern auch zur Werterhaltung von Immobilien in der Schweiz beitragen.»