Das Einmaleins der Sonnenenergie

Photovoltaik ist entscheidend für eine Zukunft mit sauberer Energie, sagt Experte Roger Buser. Aktuell trägt sie aber nur fünf Prozent zu unserer Stromproduktion bei. Wie soll das also funktionieren?

Photovoltaik Interview Roger Buser

Roger Buser, im Wallis soll eine riesige Photovoltaik-Anlage in die Berglandschaft gebaut werden. Reicht es nicht, solche Anlagen auf Hausdächern zu platzieren?

Das Bundesamt für Energie hat das Potenzial von Photovoltaik auf Dächern und Fassaden 2019 berechnet und kam zum Schluss, dass es mehr als den gesamten heutigen jährlichen Stromverbrauch decken könnte. Mittlerweile ist der Wirkungsgrad von Solarzellen sogar gestiegen, es könnte also noch mehr produziert werden. Leider geht die «Milchbüechlirechnung» nicht über das ganze Jahr hinweg auf. Die Berge sind darum ein notwendiger Energieproduzent für den Winter.

Einfach deshalb, weil im Winter in der Höhe öfter die Sonne scheint?

Nicht nur. Zusätzlich ist die Luft dünner, die Einstrahlung also stärker. Wenn Schnee liegt, kann dank der Reflektion auch die Rückseite der Panele genützt werden. Darüber hinaus sind die Temperaturen in der Höhe generell kühler und Photovoltaik-Module haben – entgegen den Erwartungen – bei tieferen Temperaturen einen besseren Wirkungsgrad.

Sind die Anlagen, die in den Bergen installiert werden sollen, grundsätzlich die Gleichen, die man auf Hausdächern sieht?

Technisch gesehen ja, es handelt sich bei beiden um sogenannte kristalline Photovoltaik-Module. Die Anlagen in den Bergen werden aber meist vertikal in einem Winkel von 90 Grad aufgeständert, statt wie im Flachland mit einem Winkel von 15 bis 35 Grad. So bleibt der Schnee nicht darauf liegen und die Rückseite kann auch diejenige Einstrahlung absorbieren, die durch die Reflektion des Schnees entsteht.

Unterschied Solarthermie und Photovoltaik

Auf den Dächern sind zwei verschiedene Arten von Solaranlagen zu sehen: Die einen produzieren Wärme (Sonnen- oder Solarkollektoren), die anderen produzieren Elektrizität (Solar- oder Photovoltaikmodule). Der Unterschied ist heutzutage sehr schwierig zu erkennen, da es sehr viele Ausführungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Bei einzelnen Ausführungen kann man Röhren erkennen, die anderen setzen sich teilweise aus viereckigen Einzelteilen (Solarzellen) zusammen.

Diejenigen mit den Röhren erzeugen Solarthermie, also Wärme. Sonnenkollektoren fangen dabei Sonnenstrahlen ein und wandeln sie in Wärme um. Diese kann dann im Haus genutzt werden, um zu heizen oder um Warmwasser zu erzeugen. Geht es nur um die Erzeugung von Wärme und nicht um Elektrizität, so ist Solarthermie effizienter.

Mit Photovoltaik wird Elektrizität erzeugt. Diese kann dazu verwendet werden, Wasser oder Luft aufzuwärmen oder Haushaltsgeräte wie Staubsauger zu betreiben oder den Computer aufzuladen. Mit Solarthermie geht das nicht. Photovoltaik wird daher vom Bund stärker gefördert. Darüber hinaus ist Photovoltaik einfacher für die Endnutzerinnen und -nutzer: Einfach gesagt, braucht es dafür zwei Kabel auf dem Dach. Solarthermie hingegen braucht zusätzliche Rohre für das Wasser und ist insgesamt wartungsintensiver. Nach spätestens zehn Jahren müssen die Kollektoren überprüfen werden. Eine Photovoltaikanlage hingegen ist wartungsarm. Zudem kann sie besser ins Dach integriert werden und es gibt mehr Möglichkeiten, sie zu gestalten, zum Beispiel durch verschiedenfarbige oder mit Mustern bedruckten Panels.

Welchen Anteil unseres Stromverbrauchs deckt Photovoltaik heute ab?

In der Schweiz sind das heute knapp fünf Prozent. Strom macht allerdings nur rund ein Viertel unseres gesamten Energieverbrauchs aus. Je mehr wir von fossilen Energieträgern wegkommen, umso wichtiger wird jedoch die Stromproduktion werden, zum Beispiel für die Mobilität. Es gilt daher, das Potenzial der Photovoltaik viel konsequenter auszunützen.

Energie und Strom

Strom ist eine Form von Energie – er deckt in der Schweiz etwa 26 Prozent des Energieverbrauchs ab. Die restlichen drei Viertel kommen hauptsächlich von Erdölbrennstoffen, Treibstoffen und Gas.

Strom wird in der Schweiz zu 68% durch Wasserkraft abgedeckt, der Rest durch Photovoltaik, Kernenergie und – zu einem sehr geringen Teil – durch Biomasse, Wind, Abfälle und Erdöl.

Zum Beispiel, indem wir Solarpanels nicht nur auf jeden Neubau, sondern grundsätzlich auf jedes Dach bauen? Die Denkmalschützer werden Sturm laufen …

Es muss nicht jedes Dach sein – es eignen sich sowieso nicht alle Dächer. Aber fangen wir doch konsequent bei Neubauten und vor allem bei grossen Dächern von Fabriken an.

Warum sind wir hier noch nicht weiter?

Dies ist aus meiner Sicht ein gesellschaftliches wie ein politisches Problem. Die Elektrizität war lange so günstig, dass sich nur wenige Menschen dafür interessierten, woher ihr Strom kam, und auch ob zum Beispiel eine Beleuchtung eingeschaltet ist oder nicht. Das hat sich nun geändert. Jetzt wollen alle PV-Anlagen.

Eine Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach

Kosten: 20’000 bis 30’000 Franken. Bei bestehenden Gebäuden muss für die Installation ein Gerüst aufgebaut werden, das kostet zusätzlich 5’000 bis 10’000 Franken.
Zeit für die Amortisierung der Kosten: rund 17 Jahre. Unter sonnendach.ch kann man sich das für das eigene Haus berechnen lassen.
Lebensdauer: Man rechnet meist mit ca. 25 Jahren – vielleicht auch länger; die älteste Solaranlage hierzulande ist 40 Jahre alt und erbringt noch immer 90 Prozent der ursprünglichen Leistung. Nach ca. 15 bis 20 Jahren muss der Wechselrichter ausgetauscht werden.
Installationsdauer: Etwa eine Woche – vorausgesetzt, das Material ist lieferbar und es gibt genügend Fachleute für die Montage. Beides ist im Moment kritisch.

Haben andere Länder da bessere Fortschritte gemacht?

Ich würde sagen, dass wir in den letzten Jahren gut vorwärtsgekommen sind. Es braucht aber eine weitere Steigerung, um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen. In der Gesamtproduktion gegenüber anderen Ländern können wir als kleines Land mit der PV definitiv nicht punkten. Im Pro-Kopf-Vergleich der jährlich installierten Leistung schaffen wir es weltweit aber doch knapp in die Top 10. Im europäischen Vergleich liegen wir auf dem vierten Platz nach den Niederlanden, Deutschland und Belgien. Wenn man die erneuerbaren Energien ebenfalls anschaut, schneiden wir noch besser ab, da wir in der glücklichen Lage sind, ein sehr wasserreiches Land zu sein und dies auch nutzen.

Reicht ein Dach voller Panels, um den Energieverbrauch eines Einfamilienhauses zu decken?

Wenn man gleichzeitig eine Wärmepumpe hat, dann vielleicht. Im Winter reicht es aber meist nicht.

Wie hängen Solarenergie und Wärmepumpen zusammen?

Eine Wärmepumpe holt Wärme aus der Luft, aus Wasser oder aus der Erde. Dafür braucht sie Strom – sie erhöht den Stromverbrauch eines Hauses also zunächst einmal. Aber: Das Verhältnis von Stromverbrauch und erzeugter Energie ist bei der Wärmepumpe deutlich höher als zum Beispiel bei einem Elektroofen. Dort erhält man auf einen Teil Strom einen Teil Wärme. Eine Wärmepumpe kann aus Strom etwa viermal so viel Wärme erzeugen. Dadurch braucht es für gleich viel Wärme weniger Strom und natürlich keine fossilen Brennstoffe.

Auf der Photovoltaik ruhen grosse Hoffnungen für eine klimaneutrale Zukunft. Wie lange dauert die Amortisation der grauen Energie, die es für ihre Produktion gebraucht hat?

Ein bis zwei Jahre, bei einer Lebensdauer von 20 bis 40 Jahren.

Und wenn sie dann ausgedient haben, können ihre Bestandteile im Sinne der Kreislaufwirtschaft getrennt und wiederverwendet werden, oder stellen sie dann ein weiteres Umweltproblem dar?

PV-Panels können vor der Entsorgung in ihre Bestandteile zerlegt werden. Einzelne davon sind zu 100 Prozent recyclebar, so der Metallrahmen und das Glas. Das Laminat dazwischen kann man nicht als Laminat wiederverwenden, aber wenigstens mehr oder weniger problemlos entsorgen. Das Modul selbst besteht aus Silizium, das ist Quarzsand. Das kann man wiederverwenden, aber es ist auf jeden Fall ein Downcycling – sprich, es verliert an Wert.

Mit der Erzeugung von erneuerbaren Energien wollen wir uns auch aus der Abhängigkeit von den gas- und ölproduzierenden Ländern lösen. Geraten wir aber nicht einfach in eine neue Abhängigkeit von Zulieferern?

Lange Zeit wurden die hier verbauten PV-Module hauptsächlich in China und Taiwan produziert. Dies vor allem deshalb, weil die Produktion in Europa preismässig nicht mehr mithalten konnte. China konnte jedoch wegen verschiedener Lockdowns zum Teil nicht mehr liefern und die Transportkosten sind in den letzten beiden Jahren ebenfalls gestiegen. Das hat in Europa produzierte PV-Module wieder konkurrenzfähig gemacht. Meyer Burger und 3S Swiss Solar Solutions sind zwei Schweizer Firmen, die in Europa produzieren.

Im Moment überlegen sich viele Hausbesitzerinnen und -besitzer, auf Photovoltaik umzusteigen, um vom Energiepreis unabhängig zu werden, möglichst noch vor dem Winter. Können die Unternehmen, die in Europa produzieren, überhaupt liefern?

Das grösste aktuelle Problem bei der Lieferung besteht bei den Wechselrichtern. Dieses elektronische Bauteil braucht es, um den Solarstrom in Wechselstrom umzuwandeln. Noch viel grösser ist aber der Mangel an Fachkräften für die Installation. Das führt dazu, dass die Installationspreise steigen. Kurz: Für diesen Winter wird es wohl schwierig, allen Wünschen nachzukommen.

Nehmen wir mal an, ich besitze ein E-Auto. Kann ich dann diese Batterie nützen, um zum Beispiel meinen Computer aufzuladen?

Es gibt einige Modelle von Elektroautos, die Aussen über eine 230V-Steckdose verfügen, die man dafür nützen kann. Eine andere Möglichkeit ist das bidirektionale Laden: Der Strom, den meine PV-Anlage ins Auto gespiesen hat, wird wieder für mein Haus oder eben meinen Computer genutzt. Das ist allerdings nur bei wenigen Fahrzeugen umsetzbar und mit erheblichen Kosten verbunden.

Ist jemand mit einer Photovoltaikanlage aus dem Schneider, sollte im Winter der Strom zeitweise abgestellt werden?

Nein, leider nicht. Aus Sicherheitsgründen schaltet sich eine Photovoltaik-Anlage ab, wenn das Netz keinen Strom hat. Das bedeutet, um sie weiterzuverwenden, müsste man sie vom Netz trennen und an eine spezielle Batterie anschliessen, eine sogenannte USV-Batterie – das steht für «unterbruchslose Stromversorgung». Die meisten Einfamilienhaus-Besitzerinnen und Besitzer verzichten darauf, denn sie kostet zusätzlich etwa 10’000 Franken und amortisiert sich nicht.

Abend der Wirtschaft

Im Rahmen des Themenschwerpunkts «Lösungen für die Energiewende» treffen sich dort Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung, Industrie, Politik und Bildung, um den praxisnahen Austausch zwischen Technik und Wirtschaft zu ermöglichen. Expertinnen und Experten berichten von ihren Erfahrungen aus den verschiedensten Projekten. Ebenfalls werden Ergebnisse aus der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung präsentiert und diskutiert, wie diese der Wirtschaft zu Gute kommen.

Datum: 20. Oktober 2022, 15:30 bis 19:00 Uhr
Ort: Hochschule Luzern – Technik & Architektur, Technikumstrasse 21, Dr. Josef Mäder-Saal (Trakt IV)

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