«Hohe, zeitlich begrenzte Rabatte regen zu Impulskäufen an»

Ein neuer Fernseher, ein Laptop oder doch lieber ein Staubsauger? Am Black Friday stürzen wir uns in die Rabattschlacht. Welche psychologischen Tricks die Händler dabei anwenden und wie wir diese erkennen können, weiss HSLU-Ökonom Thomas Wozniak.

Kaufen! Jetzt! Per Nudging versuchen Firmen unser Verhalten zu lenken. Bild: Getty Images

Thomas Wozniak, der Black Friday steht vor der Tür. Wie sorgen die Händler dafür, dass wir am 29. November möglichst viel kaufen?

Zunächst nutzen Händler auffällige Werbung, wie grosse Plakate, grossflächige Banner in ihren Onlineshops und Social-Media-Kampagnen, um Black-Friday-Angebote bekannt zu machen. In Onlineshops oder auf speziellen Black-Friday-Websites sieht man auch Countdowns, die in Tagen, Stunden, Minuten und Sekunden herunterzählen, bis die Angebote starten. Die zeitliche Begrenzung erzeugt ein Gefühl der Dringlichkeit, das zum schnellen Kaufen anregen soll.

Warum wirken solche Massnahmen so stark auf unser Kaufverhalten?

Insbesondere wenn wir schnell Entscheidungen treffen, das heisst, ohne viel zu analysieren und nachzudenken, können uns Fehler unterlaufen. Diese Fehler werden auch als kognitive Verzerrungen bezeichnet und können genutzt werden, um Entscheidungen zu lenken und Impulskäufe auszulösen – so auch bei den zahlreichen Black-Friday-Angeboten. Das Konzept dahinter wird «Nudging» genannt.

Wo begegnet uns Nudging überall im Alltag?

In der Kantine «Oase» des Departements Wirtschaft der HSLU etwa wird das vegetarische Menü bewusst so platziert, dass es als erstes ins Blickfeld der Gäste rückt und dadurch häufiger gewählt wird. Aber auch wie wir uns bewegen, wird durch Nudging beeinflusst. Wenn man zum Beispiel eine Rolltreppe in einem Bahnhof betritt, weisen Fussabdruckmarkierungen auf dem Boden oftmals darauf hin, dass man die linke Seite nutzen soll, wenn man es eilig hat, oder die rechte Seite wählen soll, wenn man einfach mitfährt. Die Entscheidung für links oder rechts wird dabei meist schnell und unbewusst getroffen.

Wo sehen Sie Risiken und Grenzen des Nudging?

Nudging kann unbeabsichtigte oder gegenteilige Effekte hervorrufen, und es können ethische Bedenken bestehen, wenn Konsumentinnen und Konsumenten unbewusst in eine Richtung beeinflusst werden, die ihren eigenen Interessen widerspricht. Zudem kann die Wirkung von Nudges bei verschiedenen Personen unterschiedlich ausfallen. Eine kürzlich publizierte Studie hat beispielsweise aufgezeigt, dass ein Nudge zur Reduktion von Retouren im Onlinehandel bei 60 Prozent der Käuferinnen und Käufer die gewünschte Wirkung erzielt hat, bei 40 Prozent jedoch zu mehr Retouren führte. Die wurden durch den Nudge erst auf die Idee gebracht, häufiger zu retournieren. Nudging muss daher differenziert eingesetzt werden, um optimal zu wirken.

Was ist Nudging?

Nudging (engl. für anstupsen/anstossen) ist ein Konzept aus der Verhaltensökonomie und beschreibt die subtile Beeinflussung von Entscheidungen, ohne die Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Das bedeutet, dass mit Nudges weder Optionen begrenzt noch Ergebnisse erzwungen werden. Stattdessen werden psychologische Mechanismen wie kognitive Verzerrungen genutzt, um die Wahrscheinlichkeit bestimmter Entscheidungen zu erhöhen. Dies geschieht durch die Gestaltung der Umgebung, in der die Entscheidung getroffen wird.

Lassen sich Nudging und Manipulation klar voneinander abgrenzen?

Wenn Nudging-Techniken eingesetzt werden, um Entscheidungen zu lenken, die nicht mit den Werten und Interessen des Einzelnen übereinstimmen und auch nicht dem Allgemeinwohl dienen, wird der Einsatz eher als Manipulation empfunden. Bei dieser Abgrenzung kommt es also darauf an, wer wen mit welchem Ziel und welchem Ergebnis nudgt. Wenn in Supermärkten zuckerhaltige Süssigkeiten bei der Kasse auf Augenhöhe von Kindern platziert werden, dient dies nicht dem Wohl der Kinder.

Erkennen Sie Nudges selbst immer sofort?

Nudges sind oft subtil gestaltet, sodass sie nicht immer sogleich erkennbar sind. Wenn man sich viel mit dem Thema beschäftigt, fällt es einem aber eher auf. Manchmal realisiere ich erst nach einer Entscheidung, dass ich genudgt wurde. Wenn ich dann aber merke, dass die Wahl gut für mich war, denke ich: «Yes, hat funktioniert – ganz im Sinne der Erfinder.»

Beim kommenden Black Friday dürfte viel Verpackungsmaterial anfallen. In einem aktuellen Projekt haben Sie untersucht, wie Onlineshopper dazu gebracht werden können, nachhaltigere Verpackungen zu wählen. Was haben Sie herausgefunden?

Wir haben festgestellt, dass Konsumentinnen und Konsumenten mit geringerem Interesse an Nachhaltigkeit durch bestimmte Nudges eher eine nachhaltige Mehrwegverpackung wählen. Konkret hat eine Kombination verschiedener Nudges am besten gewirkt. Zudem haben Hinweise auf keine Zusatzkosten der Mehrwegverpackung zum Beispiel besser funktioniert als Hinweise auf CO₂-Einsparungen. Konsumentinnen und Konsumenten, denen Nachhaltigkeit wichtiger ist, haben sich bereits ohne Nudge für die umweltfreundliche Option entschieden.

Forschung zu Nudging, E-Commerce und Nachhaltigkeit 

Im von Innosuisse geförderten Innovationsprojekt «Algorithmic Nudging for Sustainability in E-Commerce» untersuchen Forschende des Instituts für Kommunikation und Marketing der HSLU und der FHNW gemeinsam mit Industriepartnern die Wirksamkeit unterschiedlicher Typen von Nudges in verschiedenen Entscheidungssituationen in Onlineshops auf Basis von Online- und Feldexperimenten. Ziel ist dabei die Lenkung von Konsumentenentscheidungen hin zu nachhaltigeren Optionen. Im Projekt wird ein algorithmisches System entwickelt, das Nudges in Onlineshops dynamisch ausspielen kann. Dazu werden unterschiedliche Machine-Learning-Methoden eingesetzt.

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