Ein Jahr Beratungsangebot Nightline: «Jeder trägt die Lösung in sich»

Vor einem Jahr startete die Dachorganisation der Studierendenvertretungen OneHSLU das Projekt «Nightline»: eine anonyme Anlaufstelle für Studierende mit Sorgen oder Nöten. Beraten werden sie von ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen. Co-Präsidentin Meriel Attinger über das erste Jahr und Zukunftspläne.

Das Nightline-Angebot steht Studierenden mit Sorgen und Nöten zur Verfügung.

Meriel Attinger, können Sie sich noch an Ihre erste «Nightline»-Schicht erinnern?

Ja, wir hatten in der ersten Schicht enorm viele Chats. Die meisten Studierenden meldeten sich allerdings nicht, weil sie ein Problem hatten, sondern aus Neugier: Antwortet da wirklich jemand im Chat? Danach meldeten sich eine Zeitlang weniger Leute – bis zur Prüfungszeit.

Was quält die Studierenden in dieser Zeit?

Im ersten Semester geht es oft um Prüfungsangst oder Überforderung. Hier helfen wir, etwas Struktur in den Lernprozess zu bringen. Es gibt aber noch andere Themen. Wir werden zum Beispiel häufig sonntags kontaktiert, da geht es vielen sehr schlecht. Dann sind es familiäre Probleme oder Beziehungsprobleme: Schwierigkeiten mit den Eltern, Streit in der Beziehung oder Trennungen. Einige Ratsuchende haben auch nur Fragen zum Studentenleben oder zum Studium, wenn jemand beispielsweise den Studiengang wechseln will und unsicher ist. Dann informieren und beraten wir, geben Tipps aus persönlicher Erfahrung.

Drei Hochschulen, ein Angebot

Die «Nightline» wurde von der Studierendenorganisation OneHSLU aus der Taufe gehoben. Das Angebot richtet sich aber an Studierende aller drei Hochschulen am Standort Luzern. Dies umfasst neben der HSLU auch die Pädagogische Hochschule Luzern und die Universität Luzern. Entsprechend können auch Studierende aller drei Hochschulen als Beraterinnen und Berater mitmachen. Interessierte können sich direkt auf der Nightline-Website anmelden.


Wie werden die Studierenden auf ihre Beraterrolle vorbereitet?

Unsere Beraterinnen und Berater durchlaufen einen speziellen Kurs. Sie lernen, die richtigen Fragen zu stellen und Wege aufzuzeigen, wie die Ratsuchenden selbst zu Antworten gelangen können. Wir vermitteln ihnen die Überzeugung, dass jeder Mensch die Lösung für seine eigenen Herausforderungen bereits in sich trägt. Das ist ein wichtiges Mindset.

Wie viele Personen arbeiten aktiv bei Nightline mit?

Wir haben 14 engagierte Beraterinnen und Berater. Nach dem Oktober-Kurs kommen weitere zehn dazu. Es gibt auch Social Credits fürs Studium, wenn man ein Semester lang bei uns mitmacht. Einige der Beraterinnen und Berater bleiben trotzdem über das Semester hinaus bei Nightline. Das freut uns sehr. Man kann aber auch jederzeit aufhören.

Was sollten Interessierte mitbringen, um Studierenden bei Nightline helfen zu können?

Eine altruistische Persönlichkeit und ehrliches Interesse an dieser Aufgabe sind eine gute Voraussetzung. Der Wohnort muss Luzern sein, denn die Schichten gehen jeweils am Montag, Mittwoch und Sonntag von acht Uhr abends bis Mitternacht. Die Beratenden sind dafür zu ihrem Schutz an einem konspirativen Ort und immer zu zweit. So können sie sich untereinander helfen und austauschen.

Nach einem Jahr Nightline – was möchten Sie noch entwickeln?

Wir wollen einen Telefondienst anbieten. Im Moment läuft die Beratung nur über die Chat-Funktion. Dann ist da das «Heare to listen»-Pilotprojekt in der Pipeline: Mit speziellen Westen bekleidet gehen unsere «Nightlinis» aktiv auf die Leute zu und beraten vor Ort an den Hochschulstandorten. Es ist ein präventives Format und setzt auf persönliche Kommunikation – weg vom Digitalen. Insgesamt wollen wir das Nightline-Angebot noch bekannter machen und besser vermitteln.

Steht genug Geld dafür zur Verfügung?

Fürs erste Jahr Nightline erhielten wir Geld von der HSLU. Davon bezahlen wir das E-Mail-Konto, die Website, Räume für Schulungen und das Marketing. Die weitere Finanzierung ist eine Challenge; wir sind gerade in Gesprächen. Wir brauchen jährlich im Minimum 10’000 Franken, um alles am Laufen zu halten.

Konnte sich Nightline in der Wahrnehmung von Studierenden und Mitarbeitenden etablieren, stehen die Chancen gut?

Ja, die Rückmeldungen auf unsere Arbeit sind durchweg positiv. Viele Organisationen, beispielsweise die Universitätssport-Abteilung oder die Psychologische Beratungsstelle, möchten sich mit uns vernetzen. Für uns geht’s bei dem Projekt aber nicht nur um die Finanzen, es macht ein Stück weit unsere Identität als OneHSLU aus. Die Nightline liegt uns sehr am Herzen.

OneHSLU mit neuem Präsidenten

Beim Dachgremium der Studierendenorganisationen OneHSLU gab es einen Wechsel im Präsidium. Manuel Amstad, der im dritten Semester im Bachelor Digital Construction studiert, folgt auf Gabriel Hari. Er leitet den Verein seit dem Start des Herbstsemesters 2023.

OneHSLU besteht seit 2021. Es handelt sich um einen unabhängigen Verein ohne eigene Infrastruktur oder finanzielle Mittel. Ein selbsterklärtes grosses Ziel von OneHSLU ist eine stärkere Vernetzung aller Studierenden der Hochschule Luzern. Am 19. Oktober 2023 findet nun das erste gemeinsame OneHSLU-Fest in der Schüür statt. Gefeiert wird gemeinsam unter einem Dach auf zwei Floors und im Garten. Alle Studierenden der HSLU sind herzlich eingeladen.

Als Präsident möchte Manuel Amstad die in den letzten zwei Jahren geschaffene Basis weiter stärken. Die Struktur des Vereins mache Absprachen unkompliziert und Wege kurz, sagt er. Auch der Draht zu Rektorin Barbara Bader sei kurz: «Die Rektorin ist sehr am Austausch mit uns interessiert.» Manuel Amstad wünscht sich daher, dass Studierende diese Möglichkeit zur Teilhabe noch stärker wahrnähmen: «OneHSLU vertritt die Interessen aller Studierenden und aller Departemente. Über OneHSLU können sie gebündelt und auf direktem Weg an die Hochschule herangetragen werden.»

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