Wer die Diagnose «Krebs» erhält, steht vor einer anspruchsvollen Reise. Eine Reise voller Höhen und Tiefen, mit Rückschlägen und Erfolgsmomenten. Immer öfter nimmt die Reise ein glückliches Ende – manchmal führt sie auch in den Tod. Weit über 300’000 Menschen gibt es zurzeit in der Schweiz, die in ihrem Leben einmal eine Krebsdiagnose erhalten haben – Tendenz steigend. Gemäss Schätzungen werden es 2030 bereits eine halbe Million Personen sein. Rund 40’000 Neuerkrankungen kommen jährlich hinzu. Viele Menschen sind von dieser Krankheit direkt oder indirekt betroffen. Schliesslich beeinflusst eine Diagnose nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch deren Umfeld.
Ob eine Therapie für die betroffene Person positiv verläuft, entscheidet sich oft auf der psychologischen Ebene.
Mensch im Zentrum
Die medizinisch-technische Seite der Krebsversorgung ist in der Schweiz relativ gut abgedeckt. Laufend kommen neue Krebsmedikamente und Behandlungsmethoden auf den Markt. Genauso wichtig sind bei der Behandlung von krebskranken Personen menschlich-kommunikative Aspekte. «Wenn die Onkologin oder der Onkologe sagt, die Behandlung sei erfolgreich gewesen, heisst das nicht automatisch, dass die Patientin das auch so sieht», sagt Oliver Kessler, Co-Leiter Öffentliches Gesundheitsmanagement an der Hochschule Luzern. Ob eine Therapie für die betroffene Person positiv verläuft, entscheidet sich oft auf der psychologischen Ebene. Diesen ganzheitlichen Blick auf Krebs und auf die Lebensqualität während der Betreuung möchte Kessler fördern. Mit seinem Team arbeitet er an einer Studie, um die Entwicklungspotenziale der Zentralschweizer Krebsversorgung aus Sicht der Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen zu eruieren.
«Ich ging nicht zur Chemotherapie, um zu leiden, sondern um mich zu heilen.»
Jolanda Jauk, Krebspatientin
Mehr positives Denken
Bislang hat in der Zentralschweiz noch keine Studie die Bedürfnisse und Erfahrungen von Leuten erhoben, die diesen Prozess schon einmal durchgemacht haben oder aktuell in Behandlung sind. Höchste Zeit, das zu ändern. Das findet auch Jolanda Jauk. Sie hat vor zwei Jahren selbst eine Krebsdiagnose erhalten. Obwohl sie die Versorgung und Betreuung während der Therapiephase grundsätzlich positiv empfunden hat: «Es gab schon immer wieder Situationen, in denen ich mich alleine gelassen gefühlt habe», so Jauk. Aus ihrer Sicht wäre vor allem ein individuellerer Umgang mit den Patientinnen und Patienten nötig. «Ich war immer wieder mit Aussagen von Ärztinnen und Spezialisten konfrontiert, die so für mich nicht in Ordnung waren.» Sie habe vor allem eine positive Grundstimmung vermisst. «Schon früh wurde ich damit konfrontiert, dass eine Chemotherapie ein Leidensweg sei. Ich ging aber nicht zur Chemo, um zu leiden, sondern um mich zu heilen», sagt Jolanda Jauk. In diesen Momenten hätte sie sich gewünscht, dass die Unterstützung besser an ihre Person und ihre Bedürfnisse angepasst gewesen wäre: «Ich brauchte zu diesem Zeitpunkt keine Ärzte, die mir sagten, wie arm dran ich bin. Viel wichtiger waren Leute, mit denen ich mich austauschen konnte.»
Potenzial bei der Kommunikation
In den Behandlungsprozess sind viele Organisationen involviert: von der Hausärztin über die Onkologieabteilung im Spital bis zur Spitex und weiteren Leistungserbringern. Alle Beteiligten kümmern sich um einen spezifischen Teil der Versorgung. Darum ist ein gutes Zusammenspiel der Akteure zentral – und eine erhöhte Sensibilität für eine individuelle Begleitung. «Eine ideale Behandlung und Betreuung ist anspruchsvoll, da höchst individuell. Die Bedürfnisse der Betroffenen enden weder an den Grenzen der Fachgebiete, noch an den Türen der Spitäler und Arztpraxen», so Oliver Kessler.
«Oft fehlt der vernetzte Umgang mit der Krankheit.»
Oliver Kessler, Co-Studienautor
Bei der Vernetzung und Kommunikation zwischen den verschiedenen Leistungserbringern stellen die Fachleute selbst und die Autorinnen und Autoren der HSLU-Studie Verbesserungspotenziale fest. Als Beispiel nennt Kessler fliessende Übergänge zwischen den Behandlungsphasen: «Oft fehlt der vernetzte Umgang mit der Krankheit und der Blick auf die Lebensqualität. Patientinnen und Patienten müssen zum Beispiel immer wieder dasselbe erzählen, weil sich die verschiedenen Leistungserbringer teilweise nicht genügend austauschen.» Um die Verbesserungspotenziale in der Krebsversorgung zu nutzen und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern, müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Welche Bedürfnisse dabei die Krebspatientinnen und Krebspatienten und deren Angehörigen haben und wo genau angesetzt werden muss, soll das Forschungsprojekt der Hochschule Luzern jetzt herausfinden.