In eleganten Abendroben schreiten die Stars und preisgekrönten Filmschaffenden über die roten Teppiche der Filmfestivals auf der ganzen Welt. Der Höhepunkt der Festspiele ist jeweils die glamouröse Preisverleihung, bei der das Publikum den Atem anhält, wenn es heisst: «And the winner is…»
Glücklich, wer einen Oscar sein Eigen nennen darf – oder einen Goldenen Bären der Berlinale. Doch nur schon die Teilnahme an den Internationalen Filmfestspielen Berlin ist eine Auszeichnung für einen Film, der aus hunderten von eingereichten Arbeiten zur Vorführung ausgewählt wird. Im Februar 2023 waren im Programm der Berlinale gleich zwei Dokumentarfilme der HSLU zu sehen: «Ours» von Morgane Frund und «Crushed» von Ella Rocca. Wenige Wochen zuvor lief am US-Festival Sundance der Animationsfilm «Pipes» von Jessica Meier, Kilian Feusi und Sujanth Ravichandran.
Was wie eine märchenhafte Fügung klingt, ist in Wirklichkeit nebst guter Arbeit der Studierenden das Resultat geschickter Promotionsstrategien. Auch diese wollen gelernt sein, sagt Chantal Molleur, Promotion-Koordinatorin und Festivalunterstützung des Bachelor Animation: «Wer einen Film macht, will damit als Erstes an die Festivals. Sie wirken als Türöffner.» Denn dort werden Filme sowohl einem breiten Publikum als auch Vertreterinnen und Vertretern der Filmindustrie gezeigt. Auch können wertvolle Kontakte geknüpft werden – ein tragfähiges Netzwerk ist für professionelle Filmemacherinnen und Filmemacher Gold wert.
Weltweit bekannte Filmfestivals: Sundance und Berlinale
Die Berlinale in Deutschlands Hauptstadt gilt als eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt und wurde 1951 ins Leben gerufen. Die Internationalen Filmfestspiele Berlin, wie die Veranstaltung offiziell heisst, gingen dieses Jahr zum 73. Mal über die Bühne und fanden vom 16. bis am 26. Februar statt.
Das Sundance Film Festival ist ein US-amerikanisches Filmfestival, das jährlich in Park City und Salt Lake City im Bundesstaat Utah den roten Teppich ausrollt. Es gilt als wichtige Plattform für unabhängige amerikanische und internationale Produktionen. Gerade für kleinere Filme ist es oft ein Sprungbrett, um Verleiher und ein breiteres Publikum zu finden. Dieses Jahr fand das Festival vom 19. bis 29. Januar zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1978 statt.
Bis zu 50 Vorführungen
Die HSLU unterstützt die Studierenden dabei, in ihrem zukünftigen Metier Fuss zu fassen. «Im letzten Studienjahr erarbeite ich mit jedem Filmteam eine spezifische Festivalstrategie», sagt Molleur. Es gelte, die passenden Festivals für einen Film auszusuchen und gezielte Eingaben zu machen. Eine Möglichkeit sei etwa, dass Studierende sich mit ihrer Unterstützung für grosse Festivals bewerben. Sie erläutert: «Dort erreichen die Filme eine grosse Öffentlichkeit und werden unter Umständen von anderen Festivals entdeckt, die sie wiederum in ihr eigenes Programm aufnehmen. Unsere Filme können so eine Festivalkarriere mit 30 bis 50 Vorführungen im ersten Jahr haben.» Andere Produktionen hingegen hätten eher einen Inhalt, der sich für ein ganz spezielles Festival eigne und dort grosse Beachtung finde. Steht der Auftritt an einem Festival fest, werden die Studierenden auf ihrem Weg dorthin von der HSLU begleitet. Molleur: «Jedes Filmteam erhält die Möglichkeit, die verschiedenen Schritte des Promotionsprozesses zu verstehen. Es werden ihnen Kenntnisse vermittelt, die sie benötigen, um als Berufstätige auf den Markt zu treten.»
Um an ein Festival zu kommen, braucht es oft einen langen Schnauf, weiss Nathalie Oestreicher, Chantal Molleurs Pendant für den Bachelor Video: «Da ist viel Fleissarbeit nötig.» Auch sie legt mit den Studierenden Festival-Strategien zurecht, wobei es nicht immer gelinge, alle Filme auf Anhieb an ein Festival zu bringen, «manchmal klappt es erst nach einem Jahr». Dennoch sei es wichtig, dass die Studierenden den Bewerbungsprozess durchlaufen, dabei lerne man viel für das anspruchsvolle Filmbusiness.
So erlebten die Filmschaffenden hinter «Ours», «Crushed» und «Pipes» ihre Teilnahme an den Filmfestivals:
Morgan Frund, Bachelor Video: «Ours»
«Die Berlinale hatte Interesse an meinem Film gezeigt, aber ich machte mir keine grosse Hoffnung . Deshalb war die Selektion eine grosse Überraschung für mich. Ebenso die Nomination für den Schweizer Filmpreis: Ich fand es schwierig einzuschätzen, ob ich Chancen habe. Wenn der Film nun plötzlich sehr viel Aufmerksamkeit erhält, ist das toll. Aber es kann auch nervös machen. Da unterstützt mich die HSLU sehr. Ich habe ein Coaching für professionelle Aufritte erhalten, um mich für die Gespräche nach den Screenings vorzubereiten. Die Nominationen sind zwar keine Garantie, dass ich eine lange und gute Karriere machen werde, aber es ist ein toller Anfang.»
«Ours» lief an der Berlinale im Kurzfilm-Wettbewerb «Berlinale Shorts», gewann im November 2022 einen Preis an den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur und im März 2023 einen «Quartz» für den Besten Abschlussfilm am Schweizer Filmpreis.
Mehr zu «Ours»
«Ours» entstand 2022 als Abschlussarbeit im Bachelor Video. Der 19-minütige Dokumentarfilm handelt von einem Schweizer Amateurfilmer, der in der Wildnis Russlands und Alaskas jahrelang Bären filmte. Auf der Suche nach jemandem, der aus dem umfangreichen Material einen Film schneidet, kontaktiert er die HSLU. Video-Studentin Morgane Frund meldet sich; sie plant das Projekt zu ihrer Bachelorarbeit zu machen. Doch beim Digitalisieren des Archivs entdeckt sie, dass auf den Bändern nicht nur Bären zu sehen sind, sondern auch Frauen, die ohne deren Wissen gefilmt wurden. Sie beschliesst, das Projekt in eine andere Richtung zu lenken und konfrontiert den Amateurfilmer mit den heimlich gedrehten Aufnahmen. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Diskussion um die Macht des Blicks und seiner voyeuristischen Gewalt.
Ella Rocca, Bachelor Video: «Crushed»
«Die HSLU hat meinen Film an der Berlinale eingereicht. Dass er nominiert wurde, erfuhr ich von meinen Dozierenden. Das war erstmal sehr surreal für mich. Ich freute mich riesig und fühlte mich geehrt. Ich war aber auch sofort aufgeregt und nervös. Ich wusste, dass in den nächsten Monaten viel Neues auf mich und das Filmteam zukommt. Ich denke, die Form meines Films spricht viele Leute an; zudem erhalte ich oft das Feedback, dass sie sich mit dem Inhalt identifizieren können. Ich möchte weiterhin Filme machen, die mir am Herzen liegen und Themen Platz geben, die meiner Meinung nach noch zu wenig Raum erhalten.»
«Crushed» war an der Berlinale in der Kategorie «Generation 14plus» und für einen Teddy Award nominiert. Mit dem Preis werden queer-feministische Filme geehrt.
Mehr zu «Crushed»
Ella Rocca produzierte ihren essayistischen Dokumentarfilm «Crushed» im zweiten Studienjahr des Bachelor Video. Die Arbeit vermischt traditionelle Filmsequenzen mit Aufnahmen eines Computer-Desktops. Der acht Minuten lange Film ist autobiografisch angehaucht: Ella Rocca ist mal wieder hoffnungslos verliebt. Es ist Zeit, die titelgebenden Crushes – Personen, für die man schwärmt oder in die man verliebt ist – zu konfrontieren! Rocca geht reflektiert und selbstironisch dem unerwiderten Begehren nach. Fantasie und Realität vermischen sich zum Schluss des Films zu einem überraschenden und sinnlichen Erlebnis.
Kilian Feusi, Bachelor Animation: «Pipes»
«Sundance erhielt fast 11’000 Einsendungen, davon wurden dieses Jahr lediglich 64 Filme ausgewählt – «Pipes» mit eingeschlossen. Es ist schwierig einzuschätzen, was für die Selektion unseres Films ausschlaggebend war. Ich glaube, niemand rechnete tatsächlich damit. Wir mussten nach der Nachricht schnell handeln und die HSLU war zum Glück bestens vorbereitet. Wir haben mit Chantal Molleur eine sehr zugängliche und hilfreiche Anlaufstelle. Sie hat mit uns gemeinsam den intensiven Prozess der Vorbereitung fürs Festival unternommen. Die HSLU hat uns zudem finanziell unterstützt, wodurch wir in der Lage waren, überhaupt ans Festival zu reisen. Wir haben uns dort mit Filmemacherinnen und Produzenten aus der ganzen Welt ausgetauscht und Kontakte geknüpft, auf die wir bei einer zukünftigen Produktion wieder zurückkommen können.»
«Pipes» von Kilian Feusi, Jessica Meier und Sujanth Ravichandran, lief am diesjährigen US-amerikanischen Sundance Film Festival im Wettbewerb für den besten internationalen Kurzfilm. Es war zum zweiten Mal überhaupt, dass ein Film der HSLU am Sundance nominiert war. Der Film wurde zudem im November 2022 an den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur lobend erwähnt.
Mehr zu «Pipes»
Das Team mit dem Künstlernamen «Bob Klempner» realisierte die Arbeit als Abschlussfilm im Bachelor Animation. Die Filmschaffenden liessen in das vierminütige, in Schwarz und Weiss gehaltene Werk ihre Liebe für absurde Geschichten einfliessen, wie Teammitglied Jessica Meier sagt. Bob der Klempner wird angeheuert, um ein kaputtes Rohr in einem Club zu reparieren. Dort angekommen, merkt er rasch, dass es sich um einen schwulen Fetischclub handelt. Bob geht seiner Arbeit nach, wird jedoch von den sexuellen Aktivitäten um ihn herum abgelenkt. Er gerät in Panik, die Rohre brechen, und es kommt zur Eskalation…