Erny Niederberger: Ein Ingenieur als Pollendetektiv

Was für Wanderer der Regenradar, könnte für Allergiegeplagte schon bald der Pollendetektor werden, den Erny Niederberger mit zwei Partnern entwickelt hat. Denn der kann Pollen in der Luft in Echtzeit nachweisen. In Luzern und Biel sind im April 2019 zwei Geräte in Betrieb gegangen.

Elektrotechnik-Absolvent und Start-up-Gründer Erny Niederberger

Tränende Augen, Niessen oder gar Asthma – wer an Heuschnupfen leidet, kann diese Beschwerden durch die Einnahme von Antihistaminika lindern. Doch diese verursachen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Eine Pollen-Frühwarnung und eine Entwarnung wären für Allergiker also gleichermassen hilfreich. Damit können Allergikerinnen und Allergiker die Medikamente auf die Tage beschränken, an denen die für sie gefährlichen Pollen tatsächlich fliegen.

Gesucht: Ein Pollenradar

Erny Niederberger, der zu 30 Prozent als wissenschaftlicher Mitarbeiter Senior am Kompetenzzentrum Electronics der Hochschule Luzern tätig ist, weiss: «Es braucht eine Art Regenradar für Pollen!» Genau daran arbeitet er.

Gemeinsam mit Philipp Burch und Reto Abt – beide haben ebenfalls an der Hochschule Luzern studiert – hat der Ex-Nidwaldner den «Swisens-Poleno» entwickelt. Ein Gerät, das wie ein Staubsauger die Luft ansaugt und die darin enthaltenen Partikel analysiert. «Durch Form, Grösse und Eigen-Fluoreszenz der Teilchen lassen sich dann nicht nur verschiedene Pollenarten, sondern auch gewisse Pilzsporen oder die Feinstaubzusammensetzung bestimmen», erklärt Niederberger.

Der automatisierten Pollenmessung gehört die Zukunft

Im Moment konzentriert sich das Team mit seinem Start-up vor allem auf die Detektion von Pollen. MeteoSchweiz, der Wetterdienst des Bundes, verfolgt schon heute an 14 Standorten den Pollenflug. Jetzt möchte MeteoSchweiz das Analyseverfahren automatisieren und wird deshalb im Herbst 2019 einen entsprechenden Auftrag ausschreiben. Niederberger ist zuversichtlich, dass sein Team diese Ausschreibung gewinnen kann, denn er kennt die Konkurrenz und weiss: «Wir können die Bedürfnisse unserer Kunden am besten abdecken!»

Pollen und Pilzsporen

Etwas angespannt ist er trotzdem: «Wir befinden uns derzeit im berühmt-berüchtigten Tal des Todes für Start-ups.» Die Forschungsfinanzierung – unter anderem durch Innosuisse – läuft langsam aus. Die Finanzierung durch Kunden, zum Beispiel internationale Wetterdienste, greift noch nicht ganz. Das «Swisens»-Team setzt deshalb noch auf eine weitere Karte: Lokale Pollenwarnungen mittels App. Im April startete das Pilotprojekt „Digitale Polleninformation“ in Zusammenarbeit mit Allyscience mit Messstationen in Biel und Luzern um den Nutzen für betroffene Allergiker zu untersuchen.


Es braucht eine Art Regenradar für Pollen!

Erny Niederberger

Mit der Forschungsanstalt Agroscope werden Voruntersuchungen für ein Forschungsprojekt gemacht, denn was bei Pollen funktioniert, geht auch bei Pilzen. Es soll untersucht werden ob Agroscope dank automatischem Echtzeit-Monitoring  Landwirte noch gezielter über das Vorkommen von Apfelschorf-Sporen und anderen Krankheitserregern informieren kann, um so das Ausbringen von Pestiziden weiter zu optimieren.

Brandmelder als Inspiration

Die Idee für den Partikel-Detektor ist nicht von heute auf morgen entstanden. Niederberger: «Angefangen hat es damit, dass ich bei Siemens unter anderem daran gearbeitet habe, die Fehlalarme von Brandmeldern zu reduzieren». Seither sei ihm klar gewesen, dass es im Bereich Aerosol-Partikel Sensorik noch viel Potenzial gebe.

Aber erst seine Rückkehr an die Hochschule Luzern habe schliesslich die Gründung seines Start-ups möglich gemacht. «Zum einen konnte ich mir dort ‹on the job› das nötige Fachwissen für Photonik und Optiksimulationen erarbeiten, zum andern hat mir die Hochschule erlaubt, mein Pensum zu reduzieren und mich mit Forschungsgeldern unterstützt.». Und das Wichtigste: Er habe an der Hochschule Luzern die richtigen Teamkollegen gefunden. «Wir ergänzen, inspirieren und pushen uns gegenseitig.» Zudem könne er auf das Know-How von zahlreichen weiteren Hochschulmitarbeitenden zählen – etwa in den Bereichen Fluidmechanik, Kommunikation oder Finanzen  «Ohne die Unterstützung von allen Seiten wäre ich nie so weit gekommen.»

Zur Person

Erny Niederberger (*1970) ist in Dallenwil (NW) aufgewachsen. Nach einer Lehre als Radio- und Fernsehtechniker und zwei Jahren Berufserfahrung studierte er an der Hochschule Luzern Elektrotechnik. Es folgten Anstellungen an der ETH Zürich, Leister Microsystems und bei Siemens, dann kehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Hochschule Luzern zurück. 2013 reduzierte er sein Pensum um das Start-up «Swisens» zu gründen. Zusätzlich absolvierte er an der Hochschule Luzern ein Nachdiplomstudium in marktorientierter Unternehmungsführung.

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