Ein Bett, ein offener Schrank, drei Kartonkisten, ein Sofa und ein Schreibtisch: Das ist der gesamte materielle Besitz von Stefan Vecsey. «Ich mag Krempel nicht», sagt der 34-jährige Berner. Trotzdem besitzt er immer noch mehr als die Protagonisten seiner letzten gezeichneten Reportage: Mika und Michael, Jörg, Helmut und wie sie alle heissen, die Obdachlosen Hamburgs.
Im Comic-Magazin «Strapazin» hat Vecsey auf zwanzig Seiten gezeichnet und beschrieben, wo, wie und wovon sie leben. Dafür besuchte er sie während drei Wintermonaten immer wieder – und kam an seine Grenzen. «Es war Minus 16 Grad, ich habe mit ihnen Bier getrunken und musste nach einer halben Stunde wieder nach Hause, weil ich gezittert habe vor Kälte.» Er habe sich geschämt, dass er nicht durchgehalten habe, während sie bei dieser Kälte sogar draussen übernachteten.
In diesen Wintermonaten kam Vecsey selber in Not: Ihm wurde die Wohnung gekündigt, und er fand lange keine neue. Michael und Mika organisierten ihm einen warmen Schlafsack und boten ihm ein Zelt an. Das hat Vecsey sehr berührt, auch wenn er das Angebot nicht in Anspruch nehmen musste. Er hat wieder ein WG-Zimmer gefunden und studiert nun im zweiten Jahr Illustration in Hamburg.
Hierhin gezogen haben ihn der gute Ruf des Masterstudiums und seine Freundin, die in der Nähe lebt. Den Bachelor in Illustration Fiction hatte er an der Hochschule Luzern gemacht.
Dort fand er dank Studiengangleiter Pierre Thomé zum Format der gezeichneten Reportagen, bei der Zeichner als Reporter fungieren. «Pierre Thomé ist in der Schweiz so etwas wie der Vater des sogenannten Visual Essays und hat uns ermuntert, draussen zu zeichnen und den subjektiven Blick zu wagen.»
Vecsey sog das inspirierende Umfeld, das er in Luzern vorfand, regelrecht auf und zeichnete ganze Wochenenden über im Atelier der Hochschule. Schon seine Bachelorarbeit war eine gezeichnete Reportage über einen besonderen Ort: die Reitschule, das alternative Kulturzentrum in Bern, das er in seiner ganzen Vielfalt zeigen wollte. Ihn faszinieren solche ungekünstelten Orte. Zwischenorte, auch Bahnhöfe. Unorte. Dreckige Orte. «Die sind ehrlich», findet Vecsey. «Und am Rande der Gesellschaft gibt es viele spannende Menschen.»