Wissen Sie, wie ein Buch tönt? Kein Hörbuch, ein richtiges Buch. Anna Haas weiss es. Für eine Grafikdesign-Biennale im tschechischen Brünn hat sie Bücher nach ihrer Klangqualität beurteilt. Was für ein Gefühl löst ein Buch aus, wenn man darin blättert, mit den Fingerknöcheln darauf klopft oder wenn man es zuklappen lässt?
Diese Arbeit zeigt, dass Haas das Kerngeschäft der Illustration – ein visuelles Sujet zu einem Text zu kreieren – längst verlassen hat und gerne Grenzen überschreitet. Auch im richtigen Leben. Mit Reisen zum Beispiel.
Während ihrer Ausbildung in Luzern absolvierte sie in Antwerpen ein Austauschsemester. Nach dem Diplom arbeitete sie zwei Jahre in Berlin und Fribourg. Den Master machte Haas in Holland. 2015 gewann sie den Swiss Design Award und damit ein sechsmonatiges Atelierstipendium in New York. Dort stellte sie sich nach ihrem Gusto ein Weiterbildungsprogramm zusammen. Unter anderem unternahm sie mithilfe von Youtube-Videos erste Programmierversuche. Mit der Unterstützung von Profis entstand daraus schliesslich «Book Cities» – eine Smart-phone-App, mithilfe derer Bibliophile weltweit spezielle Bücherläden finden.
Alles in allem gefiel Haas die Atmosphäre in der US-Metropole sehr. In New York seien die Leute zwar sozial deutlich schlechter abgesichert als in der Schweiz, erzählt sie. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – agierten sie ausgesprochen mutig und probierten viel aus, etwa im Bereich der neuen Medien. «Wir nutzen deren technisches und künstlerisches Potenzial deutlich weniger.»
«Wir nutzen das technische und künstlerische Potenzial von neuen Medien deutlich weniger als die USA.»
Anna Haas, Illustratorin
Heute lebt Anna Haas in Zürich und gestaltet vor allem Bücher und Poster. Das klassische Illustrieren sei für sie nie an erster Stelle gestanden, sagt sie und lacht: «Ich habe vielleicht die falsche Ausbildung gewählt.» Dennoch hat Haas den Verein Illustratoren Schweiz gegründet, um diesem Berufsstand auf dem Markt bessere Chancen zu verschaffen.
Ihre Ausbildung in Luzern hat sie in guter Erinnerung, vor allem der Grundkurs sei aufgrund der thematischen Vielseitigkeit toll gewesen. «Typografie, Fotolabor und alle anderen Werkstätten – ich habe alles aufgesogen wie ein Schwamm.» Später sei sie mit ihren Ideen jedoch des Öfteren angeeckt und empfand die gestalterischen Grenzen im Studium als etwas beengend.
Seit 2014 unterrichtet Haas Plakatgestaltung an der Hochschule Luzern. Ihre Studentinnen und Studenten ermutigt sie, ihre Fühler ohne Hemmungen auch in die Richtung anderer Disziplinen auszustrecken.