Herr Prof. Ohnmacht, Sie untersuchen Coworking-Spaces in ländlichen Gebieten. Worum geht es in Ihrer Studie?
Wir fragen, welche Auswirkungen diese Coworking-Spaces auf die lokale Ökonomie haben, und wollen zum Beispiel wissen, ob sie helfen, die Pendlerströme in die Stadt zu reduzieren. Die Resultate sollen Impulse für die Diskussionen in der Raum- und Verkehrspolitik geben. Unterstützt wird das Projekt von SNF Digital Lives; wir führen es zusammen mit VillageOffice, dem Schweizerischen Bundesamt für Raumentwicklung ARE und MiaEngadina durch. Aufgrund des letztgenannten Partners liegt unser Fokus auf den Coworking-Spaces in Davos und Laax.
Wie viele Coworking-Spaces gibt es auf dem Land?
Im ländlichen und periurbanen Raum sind es in der Schweiz rund 15, Tendenz steigend. Es gibt auch welche in Scuol, in Samedan, in der Zentralschweiz und im Berner Oberland. Gerade weit abgelegene Alpendestinationen sind als Rückzugsorte für fokussiertes Arbeiten in Coworking-Spaces durchaus attraktiv.
Kann ein Gemeinschaftsbüro zum Standortvorteil für eine ländliche Gemeinde werden?
Wenn in einer Gemeinde vermehrt gleichzeitig gewohnt und gearbeitet wird, stärkt dies das lokale Gewerbe und die örtlichen Dienstleistungen sowie das gesamte soziale Gefüge. Zudem machen Coworking-Spaces Arbeitswege kürzer und dadurch die Gemeinden als Standorte für Firmen attraktiver.
Bringt es auch Unternehmen Vorteile, Arbeit in Coworking-Spaces zu unterstützen?
Arbeitnehmende wünschen sich häufig mehr Flexibilität und sind auch bereit, eine einschränkende für eine flexiblere Stelle aufzugeben. Firmen verlieren ihre Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie an Arbeitsmodellen festhalten, die den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden nicht mehr entsprechen. Wenn Mitarbeitende kündigen, geht den Firmen Erfahrung verloren, die nur schwer zu ersetzen ist. Natürlich können Unternehmen nicht in jedem Dorf einen Coworking-Space eröffnen. Aber sie könnten kooperieren, um gemeinsam Lösungen zu finden.
Welchen Vorteil bringen sie den Nutzerinnen und Nutzern?
Ob in der Stadt oder auf dem Land – der Sinn der Coworking-Spaces ist der Austausch: So entstehen Ideen, Innovationen, kommen Prozesse in Gang, wie Probleme gelöst werden können. Alleine im Coworking zu sitzen, bringt nichts, da kann man auch zu Hause bleiben. Es ist das soziale Umfeld, das prägt.
Werden die Coworking-Spaces auf dem Land anders genutzt als die in der Stadt?
Erste Resultate unserer Studie zeigen, dass sich die Nutzenden auf dem Land stärker an üblichen Bürozeiten orientieren, während in der Stadt zu allen erdenklichen Tages- und Nachtzeiten gearbeitet wird. In der Stadt nutzen auch mal Personen auf Geschäftsreise nur für einige Tage die Büros. Auf dem Land mieten vor allem Menschen, die dort leben, aber auch Feriengäste stunden- oder tageweise einen Coworking-Platz, um ein Projekt auszuarbeiten oder sich im separaten Sitzungszimmer mit Geschäftskollegen zu treffen.
Wie können Gemeinden verhindern, dass ein Coworking-Space ungenutzt bleibt?
Er muss aufgrund der Nachfrage entstehen, sich nach den Bedürfnissen der Nutzenden richten und entwickeln. Diesen Prozess kann eine Gemeinde unterstützen, aber nicht forcieren.