Esther Hänggi, in den Medien liest man immer wieder, dass Quantencomputer in Zukunft heutige Verschlüsselungstechniken sofort knacken können. Stimmt das?
Ja, Quantencomputer werden in der Lage sein, einen Grossteil heute verwendeter Kryptografie zu brechen. Wenn also Informationen über Jahrzehnte geheim bleiben sollen – etwa Staatsgeheimnisse oder sensible Firmendaten – müssen wir bereits jetzt Verschlüsselungsverfahren entwickeln und einsetzen, die auch gegen zukünftige Technologien sicher sind.
Eine Lösung dazu liefert die Quantenphysik. Wie kann sie uns unterstützen, die digitale Kommunikation sicherer zu machen?
Ein wichtiger Ansatz ist unter anderem die sogenannte Quantenschlüsselverteilung. Diese Methode nutzt die Prinzipien der Quantenmechanik, um kryptografische Schlüssel zwischen Kommunikationspartnern auszutauschen.
Was heisst das genau?
Bei klassischen Verschlüsselungsverfahren – zum Beispiel beim E-Banking – einigen sich zwei Parteien auf einen geheimen Schlüssel. Die Sicherheit beruht darauf, dass es für einen Angreifer, der die Kommunikation abhören möchte, zu lange dauern würde, den Schlüssel herauszufinden. Bei der Quantenschlüsselverteilung werden Lichtteilchen – sogenannte Photonen – verwendet, um den Schlüssel zu erzeugen. Wenn ein Angreifer versucht, diese Lichtteilchen abzuhören, verändert er in diesem Moment deren Zustand. Dadurch wird der Abhörversuch erkannt und der Schlüssel verworfen.
Wo findet diese Technologie schon Anwendung?
Quantenschlüsselverteilung erfordert erstens eine spezielle Hardware, um Lichtteilchen zu schicken und zu messen und zweitens eine direkte Glasfaserverbindung.Für die Quantenschlüsselverteilung ist aber kein Quantencomputer nötig. Diese Geräte kann man bereits heute kaufen und einsetzen. Auch an der HSLU haben wir ein Quanten-Schlüsselverteilgerät. Weil Quantenschlüsselverteilung eine ständige Glasfaserverbindung braucht, ist sie etwa für Verbindungen zwischen Rechenzentren, in Energienetzwerken oder für das Kernnetzwerk der Telekommunikation prädestiniert. Viele Länder bauen zurzeit ganze Quantenschlüsselverteil-Netzwerke: zum Beispiel Singapur, Südkorea, China, Grossbritannien und die meisten EU-Länder. In der EU sollen die einzelnen Netzwerke zusätzlich mithilfe von Satelliten zu einem grossen Netz zusammengeschlossen werden.
Auch Sie forschen am Applied Cyber Security Research Lab, wie die Quantenkryptografie in der Praxis eingesetzt werden kann. Was sind aktuell spannende Themen, an denen Sie dran sind?
Wir forschen sowohl an sehr anwendungsbezogenen Fragen als auch an innovativen Ideen für die Zukunft. Wir arbeiten dafür auch eng mit Unternehmen zusammen, um zu untersuchen, wie Quantenschlüsselverteilgeräte oder Quantenzufallszahlengeneratoren in ihre IT-Systeme integriert werden können. Dabei ist es besonders nützlich, dass wir diese Geräte an der HSLU haben und für unsere Versuche einsetzen können. Ausserdem entwickeln wir Software, die Quantenschlüsselverteilung noch schneller und damit benutzerfreundlicher macht. Schliesslich fragen wir uns auch, welche zukünftigen Einsatzmöglichkeiten es für Quantentechnologien gibt.
Sie nehmen am diesjährigen Engineers’ Day teil. Am Bahnhof Luzern werden Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit haben, eine Zahl zu erraten, die von einem Quanten-Zufallszahlengenerator erzeugt wird. Welche Rolle spielen Zufallszahlen in der Cybersicherheit?
Der Quanten-Zufallszahlengenerator erzeugt echte Zufallszahlen. Ein Computer kann keine echten Zufallszahlen erzeugen und benötigt daher eine physische Quelle. Echte Zufallszahlen sind in der Cybersicherheit zentral, da jeder Schlüssel zufällig sein muss. Ein Passwort, das einfach erratbar ist, ist kein gutes Passwort.
Engineers’ Day in Luzern: Quanten-Zufallszahlengenerator in Aktion
Die Hochschule Luzern ist dieses Jahr am 8. März mit einem grossen Stand im Untergeschoss des Bahnhofs Luzern im Rahmen des weltweiten Engineers› Day präsent. 2025 ist das Motto «Frauen in Ingenieursberufen». Die HSLU zeigt spannende Projekte aus den Departementen Informatik und Technik & Architektur.
Mit vor Ort ist auch Prof. Dr. Esther Hänggi vom Applied Cyber Security Research Lab. Sie demonstriert mit einem interaktiven Gewinnspiel, wie Quantenphänomene echte Zufallszahlen erzeugen. Als anschauliches Beispiel für Zufälligkeit kommen zudem manipulierte Schaumstoffwürfel zum Einsatz. Diese zeigen eine bevorzugte Zahl an und verdeutlichen so den Unterschied zwischen echtem und scheinbarem Zufall.
Im November 2019 hat die UNESCO den weltweiten Engineers› Day ins Leben gerufen. Institutionen, Unternehmen und Politik möchten an diesem Tag auf die Relevanz und vor allem die spannenden Tätigkeitsfelder von Ingenieurinnen und Ingenieuren hinweisen.
Die Veranstaltung ist öffentlich und bietet allen Interessierten die Möglichkeit, sich zudem über Aus- und Weiterbildungsangebote an der HSLU zu informieren.
Können Sie weitere Anwendungsbeispiele nennen, wo Quantenzufallszahlen eingesetzt werden?
Bei Diensten für elektronische Zertifikate oder elektronische Online-Unterschriften, oder bei Online-Gewinnspielen und Lottoziehungen. Samsung hat sogar ein Smartphone entwickelt und auf den Markt gebracht, in dem ein Quanten-Zufallszahlengenerator-Chip eingebaut ist.
Welche Rolle spielt eigentlich Künstliche Intelligenz in der Quantenkryptografie?
Keine! Die Sicherheit beruht auf den Gesetzen der Quantenphysik. Dabei spielt es keine Rolle, ob KI eingesetzt wird oder nicht.
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