Weltklasse-Stadion in neuem Gewand

Was hat eine Fachhochschule in der Zentralschweiz mit dem weltberühmten Fussballstadion eines weltberühmten Clubs in Madrid zu tun? Der Fassadeningenieur Ringo Perez Gamote war bei der Renovation des Stadions Santiago Bernabéu dafür verantwortlich die Details der komplexen Fassade auszuarbeiten und ihre Renovation umzusetzen. Er begann das Projekt in Spanien und schloss es an der HSLU ab.

Fans des Fussballclubs Real Madrid vor dem erneuerten Stadion Bernabeu. Bild: José Gonzalez Buenaposada

Ringo Perez Gamote liebt Fussball. Und beruflich haben es ihm komplizierte Fassaden angetan. Klar also, dass der Fassadeningenieur die Gelegenheit beim Schopf packte, an der grossen Renovation des Fussballstadions Santiago Bernabéu von Real Madrid mitzuwirken. «Das war eine Traum-Aufgabe», sagt Gamote im Rückblick. Jetzt ist der Abschluss des Projekts nahe, und seine Begeisterung hat kein Bisschen nachgelassen.  

Im massiven Gebäude mitten in der spanischen Hauptstadt finden über 81’000 Fans Platz. Es gehört damit zu den grössten in Europa. Die Grösse macht das Stadion auch zu einem architektonischen Wahrzeichen Madrids. Eröffnet wurde es 1947. Die jetzige Erneuerung ist nicht die erste, aber die umfassendste. Die Fassade stellt nicht nur den am deutlichsten sichtbarsten Teil des Gebäudes dar, sondern auch einer der kniffligste Teil der Renovation, gemeinsam mit dem ausfahrbaren Dach und dem einziehbaren Rasen.  

Start der Champions League und die kommende Europameisterschaft der Frauen

Am 17. September 2024 hat die Champions League 2024/2025 begonnen. Gespielt wird auch im Stadion Santiago Bernabéu, der Heimstätte des amtierenden Meisters Real Madrid. Die Schweiz ist mit dem amtierenden nationalen Meister BSC Young Boys vertreten.
 
Vom 2. bis 27. Juli 2025 steht mit der Europameisterschaft der Frauen ein weiteres Fussball-Highlight ins Haus – buchstäblich: Alle Spiele finden in der Schweiz statt; drei davon im Allmend Stadion Luzern. Tickets sind ab dem 1. Oktober im Vorverkauf erhältlich auf der Website des Schweizer Fussballverbandes.

Geleitet wurde das Projekt von der Firma FCC Construction, die langjährige Erfahrung mit Grossprojekten hat, vom Flughafen bis zur Sanierung historischer Gebäude. Für die Detailausarbeitung und Umsetzung der Fassade war das spanische Unternehmen Inasus S.L verantwortlich, das sich auf aussergewöhnliche Fassaden aus den unterschiedlichsten Materialien spezialisiert hat.  

Hier leitete Ringo Perez Gamote die technische Abteilung, als er die Herausforderung annahm, die Fassade des Estadio Santiago Bernabéu umzusetzen. Als er später an die Hochschule Luzern wechselte, arbeitete er an diesem Auftrag weiter und hatte dadurch zusätzlich die Möglichkeit, für Tests die Infrastruktur der HSLU zu nützen.  

Ein in jeder Hinsicht grosses Gebäude  

Vier Jahre waren die Renovationsarbeiten im Gange. Nun ist die neue Fassade also weithin sichtbar, bestehend aus Lamellen aus Edelstahl, die das gesamte Gebäude umgeben. Neben ihrer imposanten Ästhetik übernimmt die Fassade auch die entscheidende Funktion, die Belüftung des Stadions zu gewährleisten, wobei ihre Luftdurchlässigkeit eine zentrale Rolle spielt.  

HSLU-Forscher Ringo Perez Gamote liebt Fussball - und komplexe Fassaden.
HSLU-Forscher Ringo Perez Gamote liebt Fussball – und komplexe Fassaden.

Es waren diese Lamellen, die Fassadeningenieur Ringo Perez Gamote vor Herausforderungen stellten. Es sind über 13’250 Einzelteile von unterschiedlicher Krümmung und Grösse – die Länge bewegt sich zwischen 4 und 8.5 Metern. Darüber hinaus unterscheidet sich die Geometrie der Einzelteile je nachdem, was sich dahinter befindet und wie viel Tageslicht dort gebraucht wird.  

Nicht nur musste jedes Element in Bezug auf Länge, Breite, Krümmung und Winkel der Einzelteile bemessen werden. Gefragt war auch eine schnelle Montagemöglichkeit vor Ort, denn die Grossbaustelle liegt mitten in der Stadt – die Strassen ringsum sind für den Verkehrsfluss weit herum zentral. Und nebenbei sollte im Stadion auch weiterhin Fussball gespielt werden können.  

Digitale Helfer

Die Lösung für diese Herausforderung bot die Digitalisierung: «Parametrische Fassaden» heisst das Zauberwort. Dafür werden 3D-Software und weitere digitale Tools genutzt. Diese ermöglichen die Berechnung komplexer Formen und Strukturen. Sie stellen auch sicher, dass die Ideen umsetzbar sind. Gleichzeitig reduzieren sie den Zeitaufwand für die Berechnungen enorm. Dies hat Perez Gamote eindrücklich erlebt, nachdem er 2017 das erste Mockup noch traditionell hergestellt hatte. Er erinnert sich: «Nach der Herstellung des ersten Prototyps wurde mir klar, dass ich digitale Tools benötigte, um die geforderte Frist einzuhalten und die gewünschte Geometrie zu gewährleisten.» 

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Fassade erstrahlt jetzt in ihrer ganzen Pracht und ist ein weiterer Anziehungspunkt für Fussball- und Architekturfans aus Madrid und der ganzen Welt.

Ein Projekt, viele Beteiligte

Ein so grosses Projekt wie die Erneuerung dieses Fussballstadions erfordert Teams mit Fachwissen unterschiedlichster Art. In diesem Fall arbeitete Perez Gamote von der Hochschule Luzern (HSLU) für die technische Abteilung von Inasus SL. Diese Firma erhielt den Auftrag wiederum von der Baufirma FCC Construction. Die Entwicklung der Fassade wurde dank der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Arup (Fassadenplaner) und Inasus (Fassadenentwicklungs- und Ausführungsunternehmen) möglich.

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