800 Franken für Semestergebühren, monatlich 500 Franken fürs WG-Zimmer und 400 Franken für Lebensmittel, 200 Franken für die Krankenversicherungen und so weiter: Die meisten Schweizer Studierenden müssen ihr Budget sehr genau planen. Um halbwegs über die Runden zu kommen, jobben fast drei Viertel von ihnen – im Schnitt zehn Stunden pro Woche*. Oftmals muss zusätzlich die Familie unter die Arme greifen.
Darlehen, also einmalige oder wiederkehrende Beiträge, die jedoch zurückzuzahlen sind, können in besonders prekären Situationen als Überbrückungshilfe dienen. Anders verhält es sich mit Stipendien: Sie werden beispielsweise von Stiftungen, öffentlich-rechtlichen Institutionen oder Unternehmen vergeben. Diese stellen einen monatlichen, jährlichen oder einmalig ausbezahlten Geldbetrag zur Verfügung, der nicht zurückgezahlt werden muss.
«Viele denken, dass Stipendien generell nur Hochbegabten vorbehalten sind.»
Alexandra Richter, Leiterin HED Lehre
Neben der finanziellen Förderung bringen Stipendien oft weitere Vorteile mit sich: die Teilnahme an Kursen und Projekten oder ein spannendes Netzwerk. «Viele denken, dass Stipendien generell nur Hochbegabten vorbehalten sind. Tatsächlich gibt es aber verschiedene Stipendienarten mit ganz unterschiedlichen Auswahlkriterien», sagt Alexandra Richter von der Abteilung Hochschulentwicklung und -dienste der Hochschule Luzern. Je nach Anbieter spielen neben der Leistung auch soziales Engagement, besondere Interessen und Fähigkeiten sowie ein überzeugendes Motivationsschreiben eine Rolle.
Kantone als erste Anlaufstelle
Für die Vergabe sind die Stipendienämter der Kantone die erste Anlaufstelle. «Studierende in Erstausbildung sollten sich daher an den Wohnkanton der Eltern wenden», rät Alexandra Richter. Stipendien oder Studiendarlehen werden gezielt und in der Regel je nach Einkommensniveau der Familie von Lernenden beziehungsweise Studierenden erteilt. 2019 vergaben die Kantone 383 Millionen Franken an über 48’000 Bezügerinnen und Bezüger**.
Auf der Website stipendien.educa findet sich eine Übersicht zu allen kantonalen Stipendienstellen.
Nicht-staatliche Stipendien
Die Anzahl an Stiftungen, Fonds und Vereinen ist gross und leider auch unübersichtlich. Je nach Stiftungszweck ist die Vergabe von Stipendien mit einem bestimmten Ziel verbunden oder richtet sich nur an ausgewählte Studienrichtungen. So etwa unterstützen die Stiftung Musikförderung an der Hochschule Luzern – Musik oder der Hella Siegrist-Fonds Musikstudierende mit Stipendien. Auf der HSLU-Website findet sich eine Übersicht weiterer wichtiger Anlaufstellen. Für die vertiefte Suche bietet sich zudem das Stiftungsverzeichnis der Eidgenossenschaft an.
Eine auf verschiedene Studienbereiche ausgelegte Stiftung ist die Hirschmann-Stiftung: Sie vergibt seit 2008 Stipendien mit einem Fördervolumen von jährlich 300’000 Franken an Master-Studierende von Schweizer Fachhochschulen. Pro Jahr werden etwa 40 bis 50 Stipendien vergeben. «Erwartet wird dafür, sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen – das spielt bereits bei der Auswahl eine Rolle», sagt Alexandra Richter. Zum Beispiel bloggen die Stipendiatinnen und Stipendiaten aktuell über die Veränderungen in der Arbeitswelt, die Folgen der fortschreitenden Individualisierung oder ihre Vorstellungen des Lebens im Jahr 2050.
Die Bewerbung für ein Hirschmann-Stipendium ist jeweils zum 15. April und zum 15. Oktober möglich.
Studierendenfonds der Stiftung Hochschule Luzern
Die Stiftung der Hochschule Luzern fördert Studierende über einen Studierenden-Fonds: Aktuell liegt aufgrund der Corona-Situation der Fokus auf Studierende in besonderer finanzieller Notlage. Zudem wurden 2019 und 2020 International Academic Scholarships an jeweils zwei Master-Studierende aus dem Ausland vergeben. Das Stipendium deckt die gesamten Studiengebühren und Wohnkosten im Studierendenwohnheim während des Master-Studiums an der Hochschule Luzern.
Porträt Stipendiatin María Belén Barbotó: Von Ecuador nach Emmenbrücke
María Belén Barbotó, Master-Studentin in Business Administration mit Schwerpunkt Business Development and Promotion, Stipendiatin International Academic Scholarship der Stiftung Hochschule Luzern
María Belén Barbotó aus Ecuador hat ein grosses Ziel: Die 24-Jährige möchte in ihrer Heimat eine Personalberatungsfirma gründen und diejenigen unterstützen, die auf dem Arbeitsmarkt so gut wie chancenlos sind. «Bei uns haben nur Kinder aus wohlhabenden Familien Zugang zu hochwertiger Bildung. Für weniger gut Betuchte gibt es daher kaum attraktive Stellen», sagt sie. Um einen Einblick in andere Arbeitswelten zu erhalten, war für sie klar, zunächst ins Ausland zu gehen. So meldete sich die gelernte Personalmanagerin für das Master-Studium in Business Administration an der Hochschule Luzern an und bewarb sich für ein Stipendium. Mit Erfolg: «Meine Eltern sind sehr stolz auf mich. Sie haben hart gearbeitet, damit meine drei Geschwister und ich eine gute Ausbildung erhalten konnten.» Trotz Vorfreude auf die Schweiz fiel der Abschied sehr schwer. «Zum einen, weil ich als jüngste Tochter in die Ferne ging. Zum anderen, weil es unklar ist, wann ich wieder mal nach Hause reisen kann.» Trotz der Reisebeschränkungen schaffte sie es rechtzeitig zum Semesterstart nach Luzern, wo ihr Studienalltag wegen der Pandemie allerdings auf den Kopf gestellt ist. «Am schwierigsten war, mich an den fehlenden persönlichen Kontakt zu Mitstudierenden zu gewöhnen. Es beeindruckt mich aber, wie professionell der Online-Unterricht abläuft.» Glücklicherweise leben im Studentenhaus in Emmenbrücke, wo María Belén Barbotó seit letztem Herbst wohnt, viele andere internationale Studierende. «Ich habe eine gute Freundin gefunden, mit der ich zusammen lerne, aber auch viele Wanderungen durch die herrliche Zentralschweizer Landschaft unternehme.»
Porträt Stipendiatin Simone Tschuppert: Bachelor mit Bestnote, Master mit Stipendium
Simone Tschuppert, Master-Studentin in Architektur, Stipendiatin der Hirschmann-Stiftung
«Ob Architekturgeschichte, Entwurf und Gestaltung, Komfort oder Energie – schon im Bachelor-Studium hat mir die Themenvielfalt im Bereich Architektur extrem gut gefallen», sagt Simone Tschuppert. Die 28-jährige Nidwaldnerin hat nach diesen positiven Erfahrungen im letzten Herbst ein Master-Studium angehängt und sich in diesem Rahmen für ein Stipendium der Hirschmann-Stiftung beworben. Trotz sehr gutem Bachelor-Abschluss und zwei Empfehlungsschreiben von Dozierenden, war sie aufgrund der Mitkonkurrenz skeptisch: «Ich hätte nie gedacht, dass es mit dem Stipendium tatsächlich klappt. Als die Zusage kam, dachte ich erst, es handle sich um eine Spam-Mail», sagt sie lachend. Stipendien-Interessierten empfiehlt sie: «Man sollte sich unbedingt genug Zeit nehmen, um sorgfältig die nötigen Unterlagen zusammenzustellen.» Ebenfalls wichtig: bereit zu sein, sich im Rahmen des Stipendiums mit gesellschaftskritischen Fragen auseinanderzusetzen und ein besonderes Engagement nachzuweisen. In Simone Tschupperts Fall war dies die jahrelange Leitung einer Jungwacht-Blauring-Gruppe und eine Art Mentorat für andere Lernende während ihrer Ausbildung als Hochbauzeichnerin.
Das Stipendiengeld von 5’000 Franken investiert sie nun in ihre fachliche Weiterbildung – unter anderem in Bücher und Besuche von Architekturausstellungen: «Beides sind Dinge, die ich mir bisher eher selten geleistet habe.»