Eine Tür ist eine Tür – für uns Menschen ein kognitiver Klacks. Nicht so für «Pepper»: Bis der 1.20 Meter grosse Roboter eine Tür von einer Wand zu unterscheiden gelernt hat, ist viel Arbeit notwendig. An der Hochschule Luzern findet diese im AI Robotics Lab statt. Hier, auf dem Campus Zug-Rotkreuz, testen Informatik-Studierende Techniken der Künstlichen Intelligenz (KI). Als Testobjekt dient das weit verbreitete Pepper-Modell.
Die Studentinnen und Studenten bereiten sich im kürzlich eröffneten Lab auf einen Berufsalltag vor, der sich in den nächsten Jahrzehnten radikal wandeln wird. «Intelligente Maschinen wie Pepper werden in der Welt von morgen eine immer grössere Rolle spielen», sagt Leiter und Robotik-Experte Florian Herzog, «und die Studierenden von heute werden sie programmieren.»
Einfach ist relativ
Mit einem Labor nach landläufiger Vorstellung hat das AI Robotics Lab wenig zu tun. Statt Apparaturen und Mikroskopen prägen gemütliche Sessel, eine Couch und ein Tisch das Bild. Die Einrichtung ist kein Zufall, wie Florian Herzog sagt. «Die Studentinnen und Studenten bringen hier Pepper bei, in einer alltäglichen Umgebung einfache Aufgaben durchzuführen, wie Objekte erkennen oder durch möblierte Räume navigieren.»
Einfach, fügt Herzog an, sei im Kontext der Robotik übrigens relativ. Ein Beispiel: «Roboter können zwar viel besser eine komplexe Gleichung lösen als wir Menschen. Aber die Handschrift zu lesen, mit der sie niedergeschrieben wurde, ist für sie viel schwieriger, weil es enorm viele Variationen gibt.» Die Anforderungen, die sich an die Programmier-Fähigkeiten der Studentinnen und Studenten ergeben, sind in der Robotik somit besonders hoch.
Stimmen von Informatik-Studenten aus dem Lab
David Gut, Luzern: «Nur der eigene Verstand setzt Grenzen»
«Der kleine Pepper als tougher Türsteher? Na ja, fast: Wir haben den Roboter probeweise so programmiert, dass er Personen nach HSLU-Ausweisen fragt, wenn sie einen Raum betreten wollen. Dabei fotografiert er den Ausweis und analysiert, ob man eintreten darf. Die Türsteher-Rolle ist natürlich nicht ganz erst gemeint, dafür ist Pepper viel zu freundlich. Mir und meinen Mitstudenten ging es in unserer Gruppenarbeit vielmehr darum, die Bilderkennungs-Fähigkeiten des Roboters auszuloten. Als Softwareentwickler fasziniert mich der weite und komplexe Bereich der Robotik, das Zusammenspiel von Programmieren, Psychologie und Ethik. Nur der eigene Verstand setzt mir dabei Grenzen.»
Matthias Egli, Aargau: «Wenn die Super-KI kommt, möchte ich mitreden»
«‹Dinner for one› ist Kult, deshalb wollten wir den TV-Klassiker neu interpretieren. Für unser Projekt ‹Dinner for one?› bringen wir Pepper bei, Restaurantgäste in Empfang zu nehmen und ihnen freie Tische mit der passenden Anzahl Sitzgelegenheiten zuzuweisen. Als Softwareentwickler und gelernter Informatiker hatte ich bis vor kurzem mit Robotern eigentlich nichts am Hut. Mein berufsbegleitendes Studium mit Spezialisierung in KI und Robotik macht mir aber viel Spass. Das Gebiet macht riesige Fortschritte. KI-Experten gehen davon aus, dass Maschinen schon in weniger als 30 Jahren intelligenter sein könnten als ihre menschlichen Erschaffer. Wenn die Zeit kommt, in der es eine solche Super-KI gibt, möchte ich mitreden können.»
Die Studierenden müssen zudem lernen, bei ihrer Arbeit die physischen Einschränkungen des Roboters zu berücksichtigen: Pepper kann seine Finger nicht einzeln bewegen und deshalb keine Objekte greifen. Lernt Pepper also beispielsweise, «Tic Tac Toe» zu spielen, kann der Roboter seinen nächsten Zug nur ankündigen. Die Steine verschieben muss ein Mensch.
Per Avatar zur Schule
Die kognitiven Fähigkeiten des Roboters lassen sich laut Florian Herzog durch neue Programme hingegen stetig erweitern und den Bedürfnissen der jeweiligen Nutzer anpassen. So komme Pepper bereits heute vereinzelt in Bibliotheken oder im Tourismus als mobile Auskunftsplattform zum Einsatz.
Hospitalisierte Schülerinnen und Schüler schicken den Roboter sogar als virtuelle Vertretung, als sogenannten Avatar, zur Schule. «Die Kinder können sich auch per Videotelefonie auf dem Laptop in den Unterricht einklinken, der Effekt ist aber nicht der gleiche», erläutert Herzog. «Menschen tendieren dazu, humanoide Roboter zu vermenschlichen. Daher interagieren sie mit ihnen ganz anders als mit Computern, auch wenn sich dahinter die gleiche Hard- und Software verbirgt.»
Wann empfinden wir die Interaktion mit Robotern als angenehm, wann als unheimlich? Was geschieht mit den sensiblen Informationen, die wir der Maschine anvertrauen? Die sich daraus ergebenden ethischen Fragen diskutieren Herzog und die Studierenden im AI Robotics Lab genauso wie technische Aspekte der Robotik. Ziel ist, die Interaktion Mensch-Roboter so flüssig und natürlich zu gestalten wie möglich – allerdings immer unter der Prämisse: Mensch ist Mensch, und Roboter bleibt Roboter.