Philipp Lötscher: als Ingenieur im Reinraum

Er findet mathematische Formeln genauso spannend wie den menschlichen Körper, ist gelernter Schlosser, aber auch Medizintechnik-Absolvent. Heute hilft Philipp Lötscher mit beim Bau kleinster Motoren, unter anderem für Implantate.

Philipp Lötscher

Zum Gespräch erscheint er mit dem Arm in einer Schlinge: Philipp Lötscher, Absolvent des Bachelorstudiengangs Medizintechnik, kennt das Innenleben von Operationssälen nur zu gut. Etwa aufgrund zweier ausgekugelter Schultergelenke. «Tatsächlich hatte ich immer mal wieder gröbere Verletzungen – aber Spitäler haben mich nie abgeschreckt, sondern eher fasziniert». Schon zuhause in der neunköpfigen Familie war er immer der, der mitgeholfen hat: einen Splitter rausnehmen, desinfizieren, Pflaster drauf, Verband befestigen. «Meine Mutter fand ja immer, ich solle Arzt werden», lacht der 28-Jährige.

So weit kam es aber nicht. Denn eigentlich schlummerte noch ein ganz anderes Interesse in ihm: die Begeisterung dafür, einzelne Teile zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzufügen. Was mit Legospielen begann, endete – vorläufig – in einer Lehre als Schlosser im Schiffbau. «Ich mag den handwerklichen, aber auch den technischen Aspekt daran. Selbst Sachen planen und bauen zu können, das ist grossartig». Sein näheres Umfeld würde da wohl kaum widersprechen: Seinem Sohn hat Philipp kürzlich ein eigenes «Riitiseili» in der Schlosserei des Schwiegervaters gebaut – wo er ab und zu auch aushilft. Statt Arzt mit Handwerksgeschick also doch Metallbauer mit Medizinkenntnissen? Auch nicht ganz. Dazwischen kam: das Militär.

Kehrtwende dank Sanitäter-Einsatz

«Als der Aufruf zum Dienst kam, meldete ich mich kurzentschlossen als Sanitäter», erzählt Lötscher. Damals war er 21 Jahre alt und hatte die abgeschlossene Lehre mit Berufsmatura im Sack. «Einfach mal was machen und etwas dazulernen, statt zu lange in der Komfortzone verbleiben», so seine Einstellung. Aus dem Sanitäter-Einsatz entstand dann die vage Idee, sich in diese Richtung weiterzuentwickeln. An einer Bachelor-Infoveranstaltung – eigentlich schaute er sich Maschinenbau an – stiess er zufällig auf den Bachelor in Medizintechnik an der Hochschule Luzern. Und meldete sich 2016 für die erst dritte Durchführung des noch jungen Studiengangs an.

Medizintechnik-Studium an der Hochschule Luzern

In der Medizintechnik-Branche halten Innovationen, Trends und Technologien der Zukunft schnell Einzug. Ein wachsender Fachkräftemangel zeichnete sich schon früh ab. Aus diesem Grund hat die Hochschule Luzern zusammen mit der Industrie und mit Institutionen aus dem Gesundheitswesen den schweizweit ersten Bachelor-Studiengang Medizintechnik entwickelt und im Herbst 2015 lanciert. Das Studium vermittelt die Kompetenzen, die in den zahlreichen herausfordernden Aufgaben zwischen Medizin und Technik gefordert sind. Die Absolventinnen und Absolventen finden ausnahmslos in sehr kurzer Zeit eine Anstellung in der Branche. Aktuell ist die Nachfrage in den Fachbereichen Qualitätsmanagement, Marktzugang, Produktemanagement oder Produkteentwicklung besonders gross.

Mikroantriebe statt Legosteine

Ein Entscheid, den er nicht bereut: «Das Studium hat mir die Augen geöffnet, was es überhaupt alles für Möglichkeiten gibt», blickt Lötscher zurück. Heute kommt ihm sowohl seine Lehre als auch die akademische Laufbahn zugute. Eine einzige Bewerbung war nötig, seither arbeitet der Luzerner als «Entwicklungsingenieur Mechanik» bei der Firma maxon in Sachseln. Diese ist Mitglied von Swiss Medtech, dem Verband der Schweizer Medizintechnik, und produziert unter anderem Mikroantriebe für medizinische Anwendungen wie Implantate, Operationsroboter oder Beatmungsgeräte. Viele dieser Mikroantriebe sind nur vier bis acht Millimeter gross. Ohne Fingerspitzengefühl geht es also nicht. «Die Motoren bestehen aus noch viel kleineren Teilen», führt Lötscher aus. «Mein Job ist es, die Vorrichtungen für das mechanische Zusammenfügen dieser Teile zu einem Motor zu bauen.» Ein mit Druckluft betriebenes Presswerkzeug sei ein klassisches Beispiel.

Philipp Lötscher
Philipp Lötscher
Philipp Lötscher
Philipp Lötscher
Philipp Lötscher
Philipp Lötscher
Philipp Lötscher
Philipp Lötscher

Im Arbeitsalltag kommen dem leidenschaftlichen Tüftler ein gewisses medizinisches Verständnis und die «Medtech-Sprache» zugute, vor allem in direkter Zusammenarbeit mit den Kundinnen und Kunden. «Ich kann mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren und weiss schneller, worauf es ankommt», erklärt Lötscher. Da die Motoren in der Medizin eingesetzt werden, stehen Vorgaben zu Material, Hygiene und medizinische Qualitätsstandards ganz oben auf der Prioritätenliste. «Die Vorrichtungen, die ich baue, stehen immer in Reinräumen. Ich muss sie unter anderem so konstruieren, dass sie möglichst gut sauber gemacht werden können.» Runde Formen seien dafür besser geeignet, als Ecken, an die man schlecht rankomme – aber auch deutlich teurer.

Das Alumni-Netzwerk der HSLU

Alle Personen, die ein Studium oder eine Weiterbildung an der Hochschule Luzern abgeschlossen haben, schliessen sich im Netzwerk von HSLU Alumni zusammen. Die Member von HSLU Alumni haben Zugang zu einem exklusiven Kreis aus Absolventinnen und Absolventen, Dozierenden, aktiven Studierenden und Partnerorganisationen der HSLU, mit denen sie sich online und an verschiedenen Events austauschen können. Ausserdem profitieren sie von nützlichen Dienstleistungen und Benefits.


Die Basis-Mitgliedschaft ist kostenlos. Jetzt anmelden unter hslu-alumni.ch.

Medizintechnik auf Vormarsch

Kostendruck hin oder her, die Faszination für Medizin merkt man Philipp nach wie vor an. Vielleicht, weil sie eben nicht nur von klar definierten Formeln lebt: «Bei einem Stück Stahl kann ich auf die Kommastelle genau berechnen, wie stabil es ist und ab wann es sich verformt. In der Medizin kannst du fünf Leuten dasselbe Medikament geben, und alle reagieren anders.» Auch an Aufträgen mangelt es ihm bei maxon mit dem rasanten Wachstum der Medizintechnik-Branche nicht, im Gegenteil. Unter anderem brachte die Corona-Pandemie die Notwendigkeit von Beatmungsgeräten schlagartig ins öffentliche Bewusstsein. «Es gibt immer wieder Momente, wo ich mir in Erinnerung rufe: Jetzt habe ich was Funktionierendes kreiert, das später jemandem hilft», fasst Lötscher zusammen. Sei es im Grossen: Eine Presse, mit der man einen winzigen Motor für ein lebensveränderndes Implantat herstellen kann. Oder im Kleinen: Das Riitiseili im Garten, das nicht direkt etwas mit Medizin, aber umso mehr etwas mit Glücksgefühlen zu tun hat.

Zur Person

Philipp Lötscher (*1994) entschied sich nach seiner Lehre als Metallbauer für ein Bachelorstudium in Medizintechnik an der Hochschule Luzern – Technik und Architektur. Seit seinem Abschluss 2019 arbeitet er bei maxon als Entwicklungsingenieur Mechanik. Die Obwaldner Firma mit Hauptsitz in Sachseln ist auf den Bau von Mikroantrieben spezialisiert – unter anderem für Anwendungen in der Medizintechnik. Auch in der Freizeit baut und tüftelt Lötscher leidenschaftlich gerne an eigenen Projekten. Der gebürtige Luzerner ist der Zentralschweiz stets treu geblieben. Heute lebt er mit seiner Familie in Rothenburg.

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