Krönender Abschluss an der Orgel

Sie wurde in Deutschland zum «Instrument des Jahres 2021» gekürt und gehört seit 2017 zum Unesco-Kulturerbe: die Orgel. Ihr eindrücklicher Klang ist nicht nur in Kirchen oder Konzertsälen zu hören, sondern auch an der Hochschule Luzern – dann nämlich, wenn Musikstudierende üben oder Konzerte geben.

Bereitet sich auf ihr Master-Abschlusskonzert vor: Julia Stadelmann an der grössten Orgel des Departements Musik der Hochschule Luzern. Bild: Christian Felber

Bereitet sich auf ihr Master-Abschlusskonzert vor: Julia Stadelmann an der grössten Orgel des Departements Musik der Hochschule Luzern.

Ob tiefster oder höchster, ob leisester oder markerschütterndster Ton: Das Klangspektrum der Orgel sucht seinesgleichen. Orgeln sind wahre Meisterwerke des Instrumentenbaus und der Feinmechanik. Jede ist passend gebaut und gestimmt auf die Umgebung, in der sie erklingt – und damit einzigartig. Vier dieser eindrücklichen Instrumente stehen am Departement Musik der Hochschule Luzern.

Mit ihren drei Manualen, 1’154 Pfeifen und den Dimensionen von knapp 6.5 mal 4 Metern ist die Orgel des Freiburger Orgelbauers Tilmann Späth eindeutig die Grösste im Haus. Auf ihr spielt derzeit besonders oft Julia Stadelmann. Die Master-Studentin bereitet sich auf ihr Abschlusskonzert vor, das Anfang Juni in der Luzerner Jesuitenkirche stattfindet. «Ich freue mich jedes Mal, dass ich an einer solch’ schönen Orgel an der Hochschule üben kann.» Die Späth-Orgel sei so gebaut, dass sie ein breitgefächertes Repertoire, auch aus älteren und jüngeren Epochen, erlaube. Musik der französischen Romantik klinge hier besonders authentisch, so Stadelmann. Zudem können auf ihr sowohl solistische Werke gespielt werden als auch jene mit Chor- und Kammermusikensembles. «An ihr bin ich die Dirigentin meines eigenen Orchesters», sagt Stadelmann.

Zum Orgelspiel kam die Luzernerin eher zufällig: Als Elfjährige überraschten sie und ihre Brüder den Grossonkel mit einem Geburtstagslied in der Kirche: «Da ich noch so klein war, konnte ich die Orgel nur mit den Händen und noch nicht mit den Füssen spielen. Aber die Wucht der Musik hat mich sofort gepackt.»

E-Piano, Chor und König Fussball

Ein weiterer Lieblingsplatz von Julia Stadelmann – ausser in den Orgelzimmern und beim Kaffeeautomaten – ist die Bibliothek: «Sie befindet sich nur zwei Stockwerke tiefer und ist bestens mit Orgelliteratur und Notenmaterial ausgestattet.»

Bereits jetzt arbeitet die 25-Jährige als Organistin in zwei Kirchengemeinden. «Das Berufsfeld ist sehr vielfältig», sagt sie. So entscheiden sich einige Studierende für die musikpädagogische Arbeit, andere fokussieren sich auf eine reine Konzerttätigkeit. Wenn man so wie Julia Stadelmann Organistin einer Kirchengemeinde ist, dann sei man in der Regel für die gesamte musikalische Jahresplanung zuständig, erklärt sie. «Dabei spiele ich nicht nur beim Sonntagsgottesdienst». Ihr Einsatz ist ebenso an Feiertagen oder an Familienfesten, wie Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen gefragt. «Je nach Anlass sitze ich dann auch mal am E-Piano oder leite einen Chor.» Für Abwechslung sorgen dabei auch besondere musikalische Vorlieben der Gäste: «Ein Brautpaar hat sich bei seiner Trauung sogar die Hymne der Champions League gewünscht, einem Stück, das auf einer Komposition von Georg Friedrich Händel basiert.»

Auf ihr Studium und ihren Beruf würden die meisten sehr überrascht reagieren, sagt sie lachend. «Einige haben noch ein etwas verstaubtes Bild.» Und wer meint, eine Organistin höre nur Kirchenmusik, der irrt: «Ich mag sehr gerne elektronische Musik, wie Techno oder Electro-House.» Statt David Guetta und Co. gibt’s für die Studentin in den kommenden Wochen aber vor allem selbstgespielte Musik von Dietrich Buxtehude und Johann Sebastian Bach zu hören – mindestens bis zu ihrem Abschlusskonzert. «Danach freue ich mich, sobald es wieder möglich ist, mit Freunden auf ein Festival gehen zu können.»

Wie sich Julia Stadelmann mit Händen und Füssen auf ihr Abschlusskonzert vorbereitet, zeigt dieser Film.

Einzug in die Populärkultur

Auch die Orgelmusik selbst hat Einzug in die Moderne gehalten: So erfreuen sich etwa Konzerte auf der Kirchenorgel mit bekannten Pop- und Rocksongs grosser Beliebtheit. Bands wie die kanadischen Indie-Rocker Arcade Fire, die britische Band Florence + The Machine oder der französische Künstler Woodkid fallen mit dem Einsatz von Kirchenorgeln auf. Zudem erklingt die Orgel in Film-Soundtracks, neuere Beispiele sind Werke wie «Fluch der Karibik», wo der krakenartige Kapitän Davy Jones mit seinen Tentakeln auf seiner Schiffsorgel spielt, das oscargekrönte Drama «Manchester by the Sea» oder der Sciene-fiction-Streifen «Interstellar».

Traditionsreiche Lehre und akribische Forschung

Kirchenmusik hat eine lange Tradition an der Hochschule Luzern. Seit 1942 werden Studierende auf ihren Berufsalltag als Chorleiter oder Organistin vorbereitet bzw. vertiefen Weiterbildungsteilnehmende ihr Wissen in diesen Bereichen. «All unsere kirchenmusikalischen Lehrgänge sind eng an die gottesdienstliche und konzertante Praxis gekoppelt», sagt Suzanne Z’Graggen, Dozentin und Studienkoordinatorin. So seien Aufführungen in der Luzerner Jesuitenkirche, aber auch in anderen Kirchen der Zentralschweiz, wichtige Ausbildungselemente – vom Pfingstgottesdienst bis zur Veranstaltungsreihe «MittWortsMusik», die zusammen mit der Hochschulseelsorge organisiert wird.

Das hochschuleigene Orgeldokumentationszentrum (ODZ) als Teil des Kompetenzzentrums CC Music Performance Research erforscht seit 2007 die Schweizer Orgelkultur mit ihren schätzungsweise 3’000 Orgeln. «Wir haben in den letzten Jahren unter anderem die Orgeln der Kantone Luzern, Zug und Schwyz inventarisiert», sagt Orgel-Experte und Kirchenmusiker Marco Brandazza. Darunter seien so besondere Instrumente wie jene vier im Kloster Einsiedeln oder jenes in der Hofkirche St. Leodegar in Luzern, wo sich mit fast zehn Metern die längste, sichtbare Metallpfeife Europas befindet.

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