Es ist eng. Sehr eng. Eine Wohnung mitten in Luzern ohne Küche, mit zwei winzig kleinen Zimmern. Hier lebte der Filmemacher Nikola Ilić zusammen mit seiner Frau Corina Schwingruber-Ilić, ebenfalls Filmemacherin und ebenfalls HSLU-Absolventin, und den beiden kleinen Kindern während der letzten Jahre. Er lächelt. Ja, er sei froh, dass sie in ein etwas grösseres Zuhause umziehen konnten. Nun arbeitet der 47-Jährige nur noch hier. «Es war eine schöne Zeit, wir waren uns sehr nahe, alles fand hier statt. Unser Familienleben, unsere Arbeit mit unseren Filmen, einfach alles.»
Gnadenlos ungeschönte Bildsprache
Nähe, darum geht es auch in den Dokumentarfilmen, die Nikola Ilić dreht. «Kanton Jugoslawien» hiess sein Abschlussprojekt, mit dem er 2013 sein Studium an der Hochschule Luzern abschloss. Damals waren es die Unmittelbarkeit der Menschen, ihre Gedanken zum Leben in der Schweiz, der Umgang mit dem Stigma «Jugo» und die gnadenlos ungeschönte Bildsprache, die eine verblüffende Intimität schufen. Mit seinem ersten Langfilm «Dida», den er in Co-Regie mit Corina machte, erzählt er die Geschichte seiner geistig beeinträchtigten Mutter und seiner Grossmutter in Belgrad. Als mitten in den Dreharbeiten die Grossmutter stirbt, stellen sie das Drehbuch auf den Kopf. «Ich wollte das eigentlich nie, aber nun war es nötig, dass ich mit meiner eigenen Stimme im Off im Film mitwirkte», sagt Nikolas Ilić. Und plötzlich sei er mittendrin gewesen in einer komplexen Geschichte von zwei Ländern und drei Frauen – seiner Frau, Mutter und Grossmutter, in Serbien und in der Schweiz.
Geplant war ein schöner Film
«Dida» wurde ein grosser Erfolg und erhielt mehrere Preise. «Ursprünglich wollten wir einen schönen Film über die Symbiose meiner Mutter und meiner Grossmutter machen. Aber eine Geschichte ohne Konflikt ist keine Geschichte», sagt Nikola Ilić. Die Krisen im ehemaligen Jugoslawien hätten ihn als Menschen geprägt und seien aus seiner Arbeit nicht wegzudenken. Er könne sich nicht hinter der Kunst verstecken. «Es ist nicht lustig, aber es ist mein Leben.» Diese Erkenntnis und die positive Resonanz auf seine Filme bewegten ihn schliesslich dazu, auch sein jüngstes Werk ganz neu anzupacken. «Meine Idee war es ursprünglich, Leute zu zeigen, die Krieg spielen.» Menschen, die Waffen tragen oder Kriegsspiele spielen. Zwei Jahre lang recherchierte er zu diesem Thema. Als er dann zu Beginn des Ukrainekriegs in einem Belgrader Park mit einem jungen Paar sprach, das vor dem russischen Angriffskrieg geflohen war, um dem drohenden Militärdienst zu entkommen, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. «Auf einen Schlag wurde mir klar, dass ich über meine eigene Zeit im serbischen Militär erzählen muss.»
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Preisgekrönt: Film über einen Soldaten, der keiner sein wollte
Und wieder kam er aus seinem «Versteck» hervor und merkte, dass es genau das ist, was er zu erzählen hat, seine eigene Geschichte: Wie er eingezogen wurde und ins Militärgefängnis kam, weil er sich weigerte, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Wie er erlebte, dass ein Kollege einen Arm verlor und wie er schliesslich in der Psychiatrie landete. Nikola Ilić lässt auch in diesem Film Nähe zu, zeigt seine Gefühle und gibt Persönliches preis. «Exit Through the Cuckoos Nest» wird an mehr als 70 Filmfestivals gezeigt und gewinnt über zehn Preise. Davon lebt er mit seiner Familie, die zwischen Belgrad und Luzern hin- und her pendelt. «Wenn wir ein Preisgeld von ein paar Tausend Franken gewinnen, können wir wieder längere Zeit davon leben», sagt er und lacht. Daran, dass die materielle Sicherheit auf wackligen Beinen steht, hat er sich längst gewöhnt.
Ideen für zwei Leben
Leidenschaft, Beruf und Familienleben teilt er mit seiner Partnerin, mit der er oft gemeinsame Projekte verwirklicht. «Wir machen alles fifty-fifty, vom Füdli putzen bis zu den Auftritten an den Filmfestivals», sagt Nikola Ilić. Ihr Alltag sei eine wilde Mischung aus Arbeit, Kreativität, Haushalt und Familie. Und Ideen für neue Projekte habe er für «zwei Leben», versichert er. Er, der in seiner Jugend als Punker und «Systemkritiker» in Belgrad immer mit der Video-Kamera unterwegs gewesen war, erhielt schliesslich an der Hochschule Luzern die Chance, auch ohne Schulabschlüsse das studieren zu können, was ihn sein Leben lang nicht loslässt: Mit Bildern das Leben erzählen. Sein Leben.