Für ihn gab es immer nur eines: Schlagzeugspielen. «Die Erinnerungen reichen bis in meine früheste Kindheit zurück», erzählt der Musiker Julian Sartorius. Der 41-jährige Thuner hat Rhythmus im Blut. Bereits als Kleinkind trommelte er wild auf alten Blechdosen herum und durfte, währen die Mutter am Kochen war, die unbenutzten Töpfe zum Spielen verwenden.
Jahre später, für sein 2017 erschienenes Album «Hidden Tracks: Basel – Genève» wanderte Julian Sartorius mit seinen Schlagzeugstöcken und einem Aufnahmegerät über 200 km. Und auch da trommelte er auf so ziemlich jedes Objekt, das er am Wegrand fand – von der Tankzapfsäule bis zum morschen Baumstamm. Der Schlagzeuger begründet seine Passion wie folgt: «Die unbegrenzten Möglichkeiten, Klänge und Beats zu entdecken, faszinieren mich seit jeher. Mir geht es nicht nur um den Klang an sich, sondern er ist für mich das Material, woraus ich dann je nach Kontext den Rhythmus gestalten und in unterschiedliche Formen bringen kann.»
Musikalische Familie
Noch vor der Einschulung begann Julian Sartorius mit dem Schlagzeugunterricht. Doch bis er dort ans richtige Schlagzeug durfte, muss er sich in Geduld üben: «Vier Monate lang – eine schier unendlich lange Zeit für einen Fünfjährigen», sagt er lachend. «Zuerst durfte ich mehrere Wochen lang nur auf der kleinen Trommel, der Snare Drum, spielen. Das gekaufte Schlagzeug stand aber bereits auf dem Dachboden. Ich ‹tigerte› da die ganze Zeit drumherum.»
Julian Sartorius wuchs in einer musikalischen Familie auf. Seine Mutter spielte Gitarre und Orgel, der Vater hatte «eine riesige Plattensammlung». Sartorius’ Bruder arbeitet heute als Musikjournalist. «Im Gegensatz zu mir, hörte er schon als Kind von morgens bis abends Musik. Auch bei ihm zeigte sich rückblickend früh, in welche Richtung es später einmal gehen könnte.»
Von den Idolen lernen
Die Frage nach der Berufswahl war für Sartorius eigentlich gar keine: «Es war immer mein grosser Wunsch, Musik zu studieren, und das in Luzern», meint der HSLU-Absolvent rückblickend. Mit den damaligen Dozenten Fabian Kuratli, Norbert Pfammatter, Marc Halbheer und Pierre Favre sei für ihn von Anfang an klar gewesen, wer seine Ausbildner sein sollten. «Ich konnte mir nichts Besseres wünschen.»
Besonders Fabian Kuratli war für Julian Sartorius ein Vorbild, eines das auch nahbar war: «Er war damals gut 30 Jahre alt, kam ebenfalls aus Bern; mit ihm konnte ich mich identifizieren», sagt der Musiker. «Sein Denken und Spielen prägen mich noch heute. Er war ein unglaublicher Schlagzeuger, einer der Besten, die ich je traf. Leider ist er bereits 2008 verstorben.»
Zurück an der Hochschule Luzern
Nach dem Studium spielte Julian Sartorius im In- und Ausland, arbeitete mit zahlreichen Musikerinnen und Musikern zusammen, so auch mit Sophie Hunger. «Obwohl ich in der Fachrichtung Pädagogik abschloss und nicht in Performance, lebte ich die letzten Jahre fast ausschliesslich vom Spielen», sagt er. Selbst unterrichten zu können, habe ihn aber immer interessiert. «Ich genoss es immer sehr, wenn ich die Chance hatte, mich mit jüngeren Musikerinnen und Musikern auszutauschen und Erfahrungen weiterzugeben.» So gab er ab und an mal Stellvertretungen an Musikschulen, es kamen Anfragen für Projektwochen und Masterclasses mit Studierenden.
Seit dem Herbstsemester 2022 unterrichtet er nun Schlagzeug Jazz und Improvisation an der Hochschule Luzern. Seine Dozenten von damals sind nun teils seine Arbeitskollegen, ein spezielles Gefühl, wie er findet: «Wenn mir jemand bei meiner damaligen Aufnahmeprüfung gesagt hätte, dass ich später mal als Dozent hier arbeiten würde, hätte ich das niemals geglaubt.» Ob es für ihn eine Ehre sein, in die Fussstapfen seiner Vorbilder zu treten? «Ich will mir darauf nichts einbilden», sagt Julian Sartorius bestimmt. «Es lässt mich aber darüber klar werden, was in all den Jahren seit Abschluss meines Studiums alles passiert ist.»
Keimzelle der Jazz-Ausbildung an der HSLU: 50 Jahre Verein Jazzschule Luzern
1972 begann eine Handvoll junger, talentierter Jazzmusikerinnen und -musiker in Luzern, ihr Können an Jugendliche und Erwachsene weiterzugeben. Das war der Startpunkt für eine Erfolgsgeschichte: Das aus dem damaligen Verein Jazzschule Luzern entstandene, heutige Institut für Jazz und Volksmusik der Hochschule Luzern ist schweizweit die grösste Ausbildungsstätte für Jazz und geniesst auch international ein hervorragendes Renommee. Weitere Informationen gibt es unter hslu.ch/jazz.
Die Freiheit des Spiels
Er dürfe nun junge Studierende mit hohem Niveau und grosser Motivation unterrichten. «Mir ist ein Umgang auf Augenhöhe sehr wichtig», betont er. «Auch wenn wir an unterschiedlichen Orten stehen, können beide Seiten voneinander lernen». Julian Sartorius legt als Dozent daher Wert drauf, die Studierenden individuell zu unterstützen und ihren einen sicheren Raum zu schaffen, wo sie ihre eigene Sprache entwickeln können. Das Experimentieren und Lernen stünden im Zentrum, und nicht das endgültige Resultat. Er selbst ordnet sich keinem Stil zu. Das sei Teil seines Verständnisses von Freiheit. «Je mehr ich ausprobiere, desto mehr Wissen sammle ich. Und über je mehr Wissen ich verfüge, um so mehr Möglichkeiten zum Ausprobieren tun sich mir auf. Die Freude am Experiment ist daher eine wichtige Basis meines Schaffens.»