Sarah Blickenstorfer, die Marke Tesla ist in der Krise. Neuerdings bekleben Tesla-Besitzer ihre Autos gar mit Anti-Musk-Botschaften. Wie konnte es so weit kommen?
Was wir hier erleben, ist ein klassisches Markendilemma. Der visionäre Gründer und CEO, einst das Gesicht des Fortschritts und der Innovation, wird plötzlich zur Belastung für sein eigenes Unternehmen. Die Situation ist besonders heikel, weil Elon Musk und Tesla in der öffentlichen Wahrnehmung untrennbar miteinander verbunden sind. Jede kontroverse Äusserung seinerseits, sowie seine politische Positionierung und Rolle in der Trump-Administration färben unmittelbar auf die Marke ab. Als Resultat haben wir einen riesigen Imageschaden, welcher sich nicht zuletzt in den einbrechenden Verkaufszahlen widerspiegelt. Was wir allerdings nicht vergessen sollten: Der Elektroautomarkt insgesamt schwächelt, und die Konkurrenz hat über die Jahre massiv aufgeholt. Tesla steht also vor einem doppelten Problem.

Diese enge Verknüpfung zwischen Kultpersonen und Marken – ist das neu?
Nicht unbedingt. Denken wir beispielsweise an Steve Jobs und Apple oder die grossen Modehäuser wie etwa Yves Saint Laurent. Zudem gab es schon immer eine Zusammenarbeit von Marken mit Markenbotschafterinnen und Markenbotschaftern, die, zumindest für eine bestimmte Zeit, zum Gesicht der Marke wurden. Zum Beispiel Roger Federer für die Marke «On». Markenbotschafter und -botschafterinnen haben im Vergleich zu einem Gründer und CEO wie Elon Musk einen entscheidenden Vorteil: Wenn sie in einen Skandal verwickelt sind, kann sich das Unternehmen von ihnen trennen und neue Gesichter finden. Die Marke bleibt bestehen. Ein Beispiel dafür war die Zusammenarbeit zwischen Kanye West und adidas. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für CEOs. Ist der CEO aber zugleich auch Gründer und Besitzer der Marke, wird es schwierig, diese Trennung von Marke und Person herbeizuführen.
Die Markenbekanntheit wird gesteigert – unabhängig davon, ob die Berichterstattung positiv oder negativ ist
Gibt es positive Effekte der medialen Aufmerksamkeit für Tesla, auch wenn die Schlagzeilen negativ sind?
Ja, die Markenbekanntheit wird gesteigert – unabhängig davon, ob die Berichterstattung positiv oder negativ ist. Seit der intensiven Berichterstattung zu Tesla werden wohl mehr Leute Tesla als Marke für Elektroautos nennen können, möglicherweise sogar an erster Stelle. In der Fachsprache heisst das «Top of Mind». Aber auch wenn die Bekanntheit durch die intensive Berichterstattung gesteigert wird, kannibalisiert der negative Einfluss auf die Wahrnehmung diesen Effekt.
Tesla spricht eine sehr spezifische Zielgruppe an. Wie riskant ist das?
Tesla stand bislang für Innovation, Technik und Nachhaltigkeit und galt als Pionier auf dem Elektroautomarkt. Und aus genau diesem Grund wurden die Autos gekauft. Heute jedoch, mit der Nähe zur Trump-Politik, werden zusätzlich Werte assoziiert, hinter denen viele bestehende Kundinnen und Kunden sowie Interessierte der Marke Tesla nicht mehr stehen können. Dieser Umstand führt dazu, dass sich viele von Tesla abwenden, oder eben die genannten Kleber aufkleben.
Personen, die sich aber auch mit diesen neuen Werten identifizieren können oder sich nicht für Politik interessieren, sind weiterhin eine Zielgruppe bzw. neue Zielgruppen, die es zu bearbeiten gilt. Vielleicht kann die Trump-Wählerschaft hier ein Stück weit in die Bresche springen.
Die fahren aber doch lieber mit ihren Diesel-Trucks durch die Gegend, als sich in ein Elektroauto zu setzen. Wie könnte Tesla diese konservative Wählerschaft ansprechen?
Trump hat kürzlich eine regelrechte Tesla-Parade vor dem Weissen Haus auffahren lassen und hat selber ein Model S gekauft. Das hat stark an eine Autoverkauf-Show erinnert. Es scheint, als würde man tatsächlich versuchen, die Trump-Wähler und Wählerinnen für die Marke zu gewinnen. Wenn Trump argumentieren kann, dass sie Arbeitsplätze in Amerika schafft und gleichzeitig durch Subventionen des E-Automarktes dafür sorgt, dass letztlich mehr Geld im Portemonnaie der Bürger bleibt, könnte das durchaus funktionieren. Es geht darum, die konkreten Anliegen dieser Wählerschaft aufzugreifen – wirtschaftliche Sicherheit, Arbeitsplätze, finanzielle Vorteile – und zu zeigen, wie ein Tesla-Fahrzeug diese Bedürfnisse erfüllen kann.
Man könnte die Marke jetzt als als amerikanische Erfolgsgeschichte präsentieren.
Sie argumentieren aus einer wirtschaftlichen Perspektive. Tesla war ursprünglich jedoch sehr idealistisch und ethisch positioniert. Gäbe es auch ideelle Anreize für konservative Wähler?
Die ideelle Komponente käme automatisch mit einer Neupositionierung. Während Tesla früher für Umweltschutz und weniger Abgase stand – Werte, die bei progressiven Käufern gut ankamen – könnte man die Marke jetzt als amerikanische Erfolgsgeschichte präsentieren, ganz im Sinne von «Make America Great Again». Es geht dann nicht mehr primär um Nachhaltigkeit, sondern um amerikanische Innovation, Unabhängigkeit und wirtschaftliche Stärke. Die Positionierung von Tesla ändert sich dadurch – von progressiven Umwelt-Idealen hin zu patriotischen und nationalistischen Werten.
Wie ausschlaggebend sind solche Werte und Ideale bei der Wahl von Marken?
Marken sind ein zentrales Element in der Aussendarstellung unserer Identität und sagen etwas über uns aus. Warum wir bestimmte Marken kaufen, hängt von drei Dingen ab. Erstens: unsere Einstellung zur Marke. Jemand kauft Nike-Schuhe, weil er sie bequem und schön findet. Die Marke wird positiv bewertet.
Zweitens: Wichtig ist auch, was Personen oder Gruppen, die für mich relevant sind, über das Produkt denken. Manche kaufen eine Marke, weil sie von Freunden geschätzt wird. Und Drittens entscheiden natürlich auch unsere Ressourcen darüber, ob wir eine Marke kaufen können. Vielleicht möchte jemand einen Mercedes kaufen, das Geld reicht aber nicht.
Zurück zu Tesla: Zwei von diesen drei Faktoren haben sich bei vielen Kundinnen und Kunden verändert: Die Einstellung zu Tesla, so wie auch die Meinung für sie relevanter Personen. Und die aktuellen Entwicklungen zeigen klar, wie die Tesla-Kundschaft und Interessierte ihre Gewichtung vornehmen.
Wird aktuell durch die Handelszölle nicht auch der dritte Faktor beeinflusst?
Der dritte Faktor scheint, zumindest was die Preise der Fahrzeuge anbelangt, sich noch nicht gross verändert zu haben. Tesla ist von den jüngsten US-Handelszöllen voraussichtlich weniger betroffen als Konkurrenten wie Toyota, Hyundai oder BMW. Aber: Mit den angedrohten Gegenzöllen vieler Länder wird auch dieser Faktor beeinflusst werden. Es bleibt also – zumindest aus einer Marketing-Perspektive – spannend.