Wird das Material per Cargo-Velo oder Elektroauto zum Drehort transportiert? Ist der Helikopterflug wirklich notwendig, oder kann die Crew in der bergigen Landschaft auch zu Fuss von A nach B gelangen? Und steht für die Licht- und Kameratechnik eine Stromquelle aus erneuerbaren Energien zur Verfügung? Stefan Rüegg befasst sich in seinem Alltag als Green Consultant mit allen Fragen, die für eine nachhaltige Filmproduktion entscheidend sind.
Es gibt viele kleine und grosse Hebel, die dabei eine Rolle spielen. «Für eine wirksame Umsetzung braucht es jede und jeden – der Green Consultant ist kein Polizist am Set», erklärt Stefan Rüegg. Das Zusammenspiel aller Beteiligten ist vielmehr gefragt. Das beginnt bereits beim grünen Storytelling, wo beim Kreieren der Geschichte beispielsweise auf saisonale Aspekte oder auf umweltschonende Film-Requisiten und -Szenerien geachtet wird. «So zeigt man beispielsweise verdichtetes Bauen, ein Gebäude mit Solaranlage oder ein Elektroauto anstelle eines Verbrenners.» Dass heute die Crew auch mit vegetarischen Gerichten verpflegt wird, gehöre ebenso dazu.
Fundierte und praxisnahe Weiterbildung
Stefan Rüegg leitet den Bereich Filmproduktion der Prodigious Zürich, welche zum Agenturnetzwerk der Publicis Groupe Switzerland gehört. Sein ökologisches Bewusstsein schärfte er in den letzten Jahren, denn gerade als Familienvater habe sich seine Sichtweise auf viele Themen verändert, erzählt der heute 41-Jährige: «Es braucht ein Umdenken, wie mit den Ressourcen unserer Erde umgegangen werden kann.» Als er 2021 das Elternhaus in Rapperswil SG übernahm und umbaute, befasste er sich intensiv mit nachhaltigen Techniken und Produkten, wie Smarthome und Solaranlagen.
Auch beruflich rückten Umweltfragen immer mehr in den Fokus. Zumal Nachbarländer wie Deutschland im nachhaltigen Filmschaffen viel weiter sind: So gelten seit 2022 einheitliche Mindeststandards für ökologisch nachhaltige Fernseh- und Filmproduktionen, die gemeinsam mit der Kulturstaatsministerin verabschiedet worden sind. «Das alles bewog mich schliesslich dazu, nach einer entsprechenden Weiterbildung zu suchen.» Online fand Stefan Rüegg die Ausschreibung der Hochschule Luzern (HSLU) für das CAS Green Consultant – Nachhaltigkeit für alle Film- und Medienproduktionen. Das ist die erste zertifizierte Weiterbildung in der Schweiz, die das Thema Nachhaltigkeit für die Filmbranche beleuchtet. Die Absolventinnen und Absolventen können Produktionen entsprechend beraten und begleiten.
Das Alumni-Netzwerk der HSLU
Alle Personen, die ein Studium oder eine Weiterbildung an der Hochschule Luzern abgeschlossen haben, schliessen sich im Netzwerk von HSLU Alumni zusammen. Die Member von HSLU Alumni haben Zugang zu einem exklusiven Kreis aus Absolventinnen und Absolventen, Dozierenden, aktiven Studierenden und Partnerorganisationen der HSLU, mit denen sie sich online und an verschiedenen Events austauschen können. Ausserdem profitieren sie von nützlichen Dienstleistungen und Benefits.
Die Basis-Mitgliedschaft ist kostenlos.
Jetzt anmelden unter hslu.ch/alumni!
Der Lehrgang richtet sich hauptsächlich an Fachpersonen, die Dokumentar- und Spielfilme produzieren. Doch was für diese gilt, ist auch für Werbeproduktionen richtig. «Die Dozierenden sind alle in der Filmbranche tätig und haben uns von der Produktion bis zur Technik sehr praxisnahe Tipps und Konzepte aufgezeigt», sagt Stefan Rüegg. Das CAS hat er im Februar 2024 abgeschlossen.
Kunden fragen nach Nachhaltigkeit
Die Zürcher Filmstiftung verlangt seit diesem Frühling, dass Schweizer Film- und Serienproduktionen von einem zertifizierten Green Consultant begleitet werden. Dies ist mit ein Grund, wieso die HSLU eine entsprechende Weiterbildung ins Leben gerufen hat. Stefan Rüegg und die Filmproduktion Prodigious sind von diesen Richtlinien bei Werbefilmproduktionen zwar nicht betroffen, Sinn mache das jedoch auch in diesem Bereich: «Am Ende zählt jeder nachhaltig produzierte Drehtag – egal ob dabei eine Dokumentation, ein Werbespot oder ein Spielfilm entsteht.»
Auch die Marketingverantwortlichen reagieren sensibel auf das Thema; Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit gehören inzwischen vermehrt zu Briefings oder werden in Konzepten verlangt. Dank der Weiterbildung fühlt sich Stefan Rüegg sattelfest, intern wie extern fundierte Expertisen abzugeben. «Ich kann jetzt umfangreicher und präziser beraten.» Generell macht er die Erfahrung, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zwar da ist. «Aber nachhaltige Umsetzungen müssen auch im Projektbudget und Timing reflektiert und getragen werden.» Strom aus erneuerbaren Energien, umweltfreundliche Transporte, stromsparende Technik der neusten Generation, nachhaltige Szenerien und Handlungsstränge – das alles kostet Zeit und somit Geld. «Meine Aufgabe ist es, die Kundinnen und Kunden zu sensibilisieren und ihnen nachhaltigere Alternativen anzubieten – ihnen Einsparungen aber auch Mehraufwände aufzuzeigen.» Denn um das Thema herumkommen werde die Filmbranche nicht. Schaut man die Zahlen genauer an, wird klar, warum: «Die Produktion eines einzigen deutschen ‹Tatort› verursacht eine CO2-Emission von 140 Tonnen», sagt Stefan Rüegg. Zum Vergleich: Die Schweiz stösst laut Bundesamt für Umwelt gut 41 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr aus, also rund 5 Tonnen pro Kopf. «Dieses Verhältnis war mir nicht bewusst – und bewegt mich einmal mehr zum Handeln.»