Schritt für Schritt geht Tranquilla Trampeltreu ihren Weg. Sultan Leo der Achtundzwanzigste hat zu seiner Hochzeitsfeier auf der Blumenwiese eingeladen. Der Weg ist beschwerlich – und lang. Der Schildkröte begegnen die unterschiedlichsten Tiere, die sich über sie und ihr Vorhaben lustig machen. Doch die Schildkröte stapft unbeirrbar voran, bis sie ihr Ziel erreicht.
Michael Endes Kindergeschichte «Tranquilla Trampeltreu, die beharrliche Schildkröte» ist über 50 Jahre alt. Dominique Regli-Lohri, Dozentin im Bachelor-Studiengang Musik und Bewegung am Departement Musik der Hochschule Luzern, ist fasziniert von der Erzählung: «Jede Szene mit den darin vorkommenden Charakteren hat eine ganz eigene Stimmung.» Entlang der Geschichte erarbeitete sie gemeinsam mit Studierenden und in Kooperation mit dem Programm Musikvermittlung des Luzerner Sinfonieorchesters ein Konzert für Familien mit bewegten Bildern. Musikalisch gestaltet wird die 50-minütige Darbietung von einem Holzbläserquintett des Luzerner Sinfonieorchesters. Die kommende Aufführung ist Teil des Musikfestivals «Szenenwechsel» der HSLU (siehe Box).
Hundertmal denselben Satz aussprechen
Im Zentrum jeder Szene steht ein anderes Musikstück. Dominique Regli-Lohri hat sie entsprechend der Stimmungen in den Szenen ausgewählt: Vom Kammermusik-Stück von Jaques Ibert über eine Blueskomposition von Gunther Schuller bis zum Tango spielt das Quintett eine grosse Bandbreite von Stücken.
Die 43-jährige Dozentin beauftragte ihre Studierenden damit, die Bilder für die einzelnen Szenen zu erschaffen: «Im Rahmen eines Moduls mussten sie sich in Eigenrecherche mit Geschichte und Musik auseinandersetzen und die passende Bewegung zur Musik zu finden.»
Studentin Arielle Graf choreografierte die Eröffnungsszene, in der zwei Tauben Tranquilla von der Hochzeit erzählen. Die 22-Jährige, die sich im letzten Semester befindet, sagt: «Ich konnte mich bei der Gestaltung aus meinem gesamten Repertoire bedienen.» Das freut ihre Dozentin: «Dieser Wissenstransfer von der Theorie in die Praxis war das Ziel des Moduls.»
Die Hauptrolle des Stücks spielt Mona Rüegg. Sie sagt: «Ich bin mit 18 Jahren die Jüngste im Studiengang. Ich war deshalb überrascht, dass ich die Rolle der Erzählerin übernehmen durfte.» Sie setzte sich mit allen Charakteren der Geschichte auseinander. «Ich habe jede Woche die Stimme für eine Figur entwickelt. Das verlangte einiges an Selbstdisziplin.» Zudem besuchte Mona Rüegg ein Sprechtraining. «Wir arbeiteten an meiner Aussprache: Sage ich ‹Hochzeit› mit kurzem oder langem O? Wie spreche ich das ‹R› richtig aus? Ich wiederholte zuhause hundertmal laut denselben Satz, bis er sass.»
Ein fahrbares Orchester
Das zentrale Element des Stücks bildet das Holzbläserquintett des Luzerner Sinfonieorchesters, bestehend aus Andrea Bischoff, Ronja Macholdt, Vincent Hering, Barış Önel und Florian Abächerli. Zum einen durch die Musik, zum anderen stellt es das Bühnenbild dar. Dominique Regli-Lohri erklärt: «Die Musikerinnen und Musiker sitzen auf einem fahrbaren Untersatz. Wir positionieren sie zwischen jeder Szene neu.» Durch die Rotation rückt für das im Kreis angeordnete Publikum jedes Instrument einmal in den Vordergrund. Es ist eine spielerische Art der Musikvermittlung, wie Regli-Lohri erklärt. «Die Kinder im Publikum erleben die Instrumente dadurch direkt. Sie werden greifbarer.» Für die Probe mit den Musikerinnen und Musikern hatten sie nur einen halben Tag Zeit. Studentin Arielle Graf sagt: «Das hat mich etwas beunruhigt. Wir wollten sie beim Spielen nicht aus dem Konzept bringen.»
Dominique Regli-Lohri hingegen beunruhigte die Krankheitswelle Anfang dieses Winters: «Ich hatte schon befürchtet, dass jemand ausfallen würde.» Mit 130 Personen im Publikum waren die ersten beiden Vorstellungen, die im Dezember 2022 im Probenhaus des Luzerner Sinfonieorchesters stattfanden, ausverkauft. Krank war glücklicherweise niemand. Ein voller Erfolg, da sind sich die drei Frauen einig.
Ein Highlight des Studiums
Anfang Februar steht nun der Auftritt am Musikfestival Szenenwechsel der HSLU an. Da profitiere man von diesen Erfahrungen, sagt Studentin Arielle Graf: «Wir proben die Abläufe x-mal. Aber erst vor Publikum merkt man, ob auch alles funktioniert.» Mona Rüegg ergänzt: «Ich höre, wie sich die Kinder im Publikum bewegen. Es raschelt immer irgendwo. Aber davon darf man sich nicht ablenken lassen.» Am Ende werden die Kinder für den Hochzeitstanz auf die Bühne geholt. «Da herrscht einfach kurz Chaos», sagt Arielle Graf.
Mit den Auftritten am Szenenwechsel ist das Modul für die Studentinnen beendet. Arielle Graf meint, am meisten habe sie organisatorisch gelernt. «Wir arbeiteten gut angeleitet nach einem klaren Raster. So fügten sich die Bilder am Ende problemlos zu einem Ganzen.» Mona Rüegg zeigt sich vor allem von der Zusammenarbeit mit dem Luzerner Sinfonieorchester begeistert. «Die Auftritte mit dem professionellen Orchester sind eine tolle Erfahrung. Das war für mich definitiv ein Highlight des Studiums», sagt sie.
Auch Dominique Regli-Lohri freute sich über die Arbeit mit dem Bläserquintett. «Für das Projekt konnten sogar Solo-Bläserinnen und -bläser des Luzerner Sinfonieorchesters gewonnen werden», sagt sie. «Sie müssen auch zwischen den Stücken immer die Spannung halten.» Das fiel auch den gestandenen Profis nicht leicht. «Als Feedback hörte ich, dass sie sich über eine vertiefte Körperarbeit gefreut hätten. Das hat mich überrascht», sagt sie.
Mit dem Stück gelingt die Kooperation zweier Institutionen des Kampus Südpol. Beziehungsweise sogar drei: Die Kostüme für die Aufführung entstammen dem Fundus des Luzerner Theaters. Ein Glücksfall, sagt Dominique Regli-Lohri. «Unglaublich, was dort alles zu finden ist.» Die kurzen Wege im Kampus Südpol bewährten sich, sagt sie. «Hoffentlich kommen künftig noch mehr solcher Kooperationen zustande.» Eine Zusammenarbeit im Rahmen eines neuen «bewegten Konzertes» für Familien innerhalb des Vermittlungsprogramms des Luzerner Sinfonieorchesters ist deshalb schon im Gespräch.
Bald gehen die Proben für die letzten beiden Auftritte los. Erzählerin Mona Rüegg freut sich: «Das Stück macht einfach Spass. Schön, dürfen wir es nochmal spielen.» Und wer weiss? «Vielleicht bucht uns ja jemand für weitere Konzerte», sagt Dominique Regli-Lohri. Tranquilla on Tour quasi.