Gibt es meinen Job in ein paar Jahren noch? Welche beruflichen Anforderungen kommen auf mich zu und wie mache ich mich dafür fit? Der technologische Wandel verändert die Arbeitswelt, Berufsbilder verschwinden, neue werden geschaffen. Die Corona-Pandemie verstärkt die Unsicherheit zusätzlich. «Wer sich vor einem Jobverlust fürchtet, tut gut daran, sich mit laufender Weiterbildung den sich fast schon täglich verändernden Rahmenbedingungen anzupassen», sagt Andreas Rudolph, Managing Director Switzerland von LHH. Das weltweit tätige Beratungsunternehmen hilft Firmen bei Fragen der Personalentwicklung und -rekrutierung. Das viel zitierte lebenslange Lernen sei ein zentraler Erfolgs- und Differenzierungsfaktor geworden, um seine eigene Arbeitsmarktattraktivität aufrecht zu erhalten und seine beruflichen Ziele zu erreichen, so Rudolph.
Hierzulande scheint man sich dessen bewusst zu sein, wie eine regelmässige Erhebung des Bundesamtes für Statistik zeigt: Im Jahr 2016 haben 62 Prozent der Schweizer Bevölkerung innerhalb der vergangenen zwölf Monate mindestens ein Weiterbildungsangebot besucht – dazu gehören CAS-, DAS- und MAS-Programme an Hochschulen, aber auch Kurse, Seminare oder Schulungen am Arbeitsplatz. In der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen sind es sogar über 75 Prozent, die an einer solchen Weiterbildungsaktivität teilgenommen haben. Doch lohnen sich die zeitlichen und finanziellen Aufwendungen? Welchen konkreten Nutzen ziehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer persönlich daraus?
Grösster Motivator: mehr Fachwissen, mehr Kompetenzen
«Als Bildungsinstitution wollten wir es genauer wissen, auch wenn wir damit ein gewisses Risiko eingingen, dass die Ergebnisse uns nicht gefallen würden», sagt Sheron Baumann. Er ist Co-Autor einer bereits zum zweiten Mal durchgeführten Untersuchung an der Hochschule Luzern zum Thema Weiterbildung. Im Vordergrund der Studie stand der subjektiv wahrgenommene, nicht-monetäre Nutzen, der durch den Besuch und Abschluss eines Weiterbildungsangebots entsteht. «Angesichts der hohen Beliebtheit von Weiterbildungen überrascht es, dass sich bisher nur sehr wenige Forschungsarbeiten mit diesem Aspekt auseinandersetzten», so Baumann.
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Weiterbildung in Zahlen: So viele Personen bilden sich an der Hochschule Luzern weiter
2020 haben über 10’000 Personen ein Weiterbildungsprogramm an einem der sechs Departemente der Hochschule Luzern besucht – rund 4’700 von ihnen haben ein CAS-, DAS- oder MAS-Diplom angestrebt, über 5’300 nahmen an einem Fachkurs oder Seminar teil. Die Nachfrage nach Weiterbildungsprogrammen bleibt damit auch an der Hochschule Luzern weiterhin hoch.
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Untersucht wurden Faktoren wie «Zufriedenheit mit der Weiterbildung», «Berufliche Stellung und Entwicklung», «Berufliche Kompetenz», «Persönliche Entwicklung» und «Einkommensentwicklung». Baumann: «Nach den sehr erfreulichen Ergebnissen aus der Erstbefragung im Jahr 2017 können wir nun nach der zweiten Befragungswelle sagen, dass sich die Aussagen generalisieren lassen und den Weiterbildungen ein hoher Nutzen attestiert wird – und zwar unabhängig von der Art der Weiterbildung und dem Alter der Teilnehmenden.» Für einen Grossteil von ihnen trägt gemäss Studie die besuchte Weiterbildung massgeblich dazu bei, ihre gewünschte berufliche Entwicklung vorantreiben zu können und sich für neue berufliche Herausforderungen zu wappnen. Weiter sind die meisten davon überzeugt, dass die Weiterbildung die Attraktivität des eigenen Job-Profils gesteigert hat, und auch das Selbstbewusstsein und die Auftrittssicherheit konnten gestärkt werden. Nicht zuletzt ist für viele auch der Austausch mit Dozierenden und anderen Teilnehmenden sowie die Erweiterung des beruflichen Netzwerks wertvoll.
«Beim persönlichen Nutzen von Weiterbildungen steht klar die berufliche Kompetenz im Vordergrund», fasst Baumann zusammen. Dies habe wohl damit zu tun, dass gut 80 Prozent der Teilnehmenden die Weiterbildung selbst initiiert hätten. «Die Arbeitnehmenden wissen, welche Kompetenzen ihnen fehlen und gestalten ihre Karriere mit einem hohen Mass an Eigenverantwortung.»
Jobwechsel trotz oder wegen der Weiterbildung?
Trotzdem, die hohe Anzahl Teilnehmenden, die ihre Weiterbildung selbst initiieren, überrascht den Co-Studienautor: «Wir gingen davon aus, dass das Bild hier etwas ausgewogener wäre und die Arbeitgeber eine zentralere Rolle beim Entscheid spielen würden.» Wie die beiden Studien zudem zeigen, folgt nach der Weiterbildung oft ein Stellenwechsel. «Ob dieser Wechsel konkret auf die Weiterbildung zurückzuführen ist, können wir mit den erhobenen Daten leider nicht beantworten. Es würde sich lohnen, diese Fragen genauer zu untersuchen», findet Baumann. Denn nebst den ausgefüllten Fragebogen der Studie erhielt der Forscher auch persönliche Rückmeldungen. Die Teilnehmenden waren zwar sehr zufrieden mit der Weiterbildung, zeigten sich aber enttäuscht über die mangelnden Möglichkeiten, das Gelernte im beruflichen Umfeld anzuwenden. «Einige erzählten mir, dass der Arbeitgeber kein offenes Ohr für ihre neuen Fähigkeiten hätte, sie sich überqualifiziert fühlten und einen Jobwechsel in Betracht ziehen würden.»
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Zufriedenheitsumfrage: Die meisten würden eine Weiterbildung weiterempfehlen
Eine kürzlich durchgeführte Zufriedenheitsumfrage bei Personen, die 2020 eine Weiterbildung an der Hochschule Luzern besucht haben, zeigt erfreuliche Ergebnisse: 96 Prozent der Teilnehmenden sind zufrieden bis sehr zufrieden mit ihrer Weiterbildung und 94 Prozent würden sie weiterempfehlen. Mehr zur Umfrage gibt es HIER.
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Dass das Gelernte aus Weiterbildungskursen nach dem Abschluss im Berufsalltag weiterentwickelt werden muss, um seine volle Wirkung zu erzielen, ist unter Expertinnen und Experten klar. Beispielsweise bei Jürg Stadelmann, Personalleiter bei der Luzerner Kantonalbank: «Lehrgänge an Hochschulen sind zentral, wenn es um Grundlagen geht. Aber ein Lehrgang allein macht noch keine erfolgreiche Karriere.» Für ihn wäre es irreführend anzunehmen, dass eine Weiterbildung kausal und automatisch zu einer höheren beruflichen Position und zu einem verbesserten Einkommen führt. Stadelmann ist überzeugt: «Der zentrale Lernort ist und bleibt für mich der Berufsalltag.» Auch Andreas Rudolph von der LHH betont die Bedeutung der Kombination zwischen Weiterbildung und Lernen am Arbeitsplatz, beziehungsweise die Verantwortung des Arbeitgebers: «Würde verstärkt auf die Karte der kontinuierlichen Weiterbildung gesetzt, wäre das Thema des Fachkräftemangels besser zu managen und das fehlende Fachwissen durch die Anstellung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger notwendig.»