Rund 300 Design-, Film- und Kunststudierende arbeiten im Moment am Abschluss ihrer Bachelor- und Masterarbeiten. Vom 21. bis am 29. Juni werden die Resultate in der Viscosistadt 745 zu sehen sein. Vom Animationsfilm bis zum Design-Management, vom Textildesign bis zur Illustration entsteht so die Werkschau – eine vielfältige Ausstellung, in der sich abzeichnet, was die Studienabgängerinnen und -abgänger beschäftigt, und was sie von ihrer Ausbildung mitnehmen.
«Die Abschlussarbeit ist für unsere Studierenden eine Visitenkarte für ihre Karriere, sei es als Datadesignerin, Illustrator oder als Raumgestalterin mit einem Abschluss in Spatial Design», sagt Jacqueline Holzer, Direktorin des Departements Design Film Kunst. Das Thema Gesundheit beschäftigt alle Departemente der Hochschule Luzern. Bei den diesjährigen Abschlussarbeiten zeigt sich, dass dies auch in Emmenbrücke auf alle Studienbereiche zutrifft, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
Stress lass nach
In ihrer Bachelorarbeit im Studiengang Objektdesign entwickelt Meline Sager Objekte zur körperlichen Stressbewältigung. Basierend auf einer Umfrage und Erkenntnissen aus Design und Psychologie entstehen alltagstaugliche, nachhaltige Lösungen – etwa ein unauffälliges Handobjekt oder ein wärmbares Kissen. Ziel ist es, Entspannung intuitiver und zugänglicher zu gestalten.
Wie kann man dem täglichen Stress im Alltag besser begegnen? Was braucht es, damit Entspannung nicht nur ein Wunsch bleibt, sondern spürbar wird? In ihrer Bachelorarbeit im Studiengang Objektdesign gibt Meline Sager aus Sursee mit «Formen der Entspannung» Antworten. Sie erstellt verschiedene Objekte, die bei der körperlichen Stressbewältigung helfen können.
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«Viele Menschen begegnen täglich Situationen, die Stress auslösen», erklärt Sager, «daran ist erstmal nichts falsch, vorausgesetzt es besteht eine gesunde Balance zwischen Aktivierung und Entspannung. Ein bewusster Umgang mit Belastung und Erholung ist wichtig für unsere Gesundheit.» Während viele Methoden mental ansetzen, möchte Meline Sager mit ihren Möglichkeiten als Objektdesignerin einen Zugang schaffen, der Entspannung intuitiver, greifbarer und alltäglicher macht.
Um zu erfahren, warum sich Menschen in stressigen Phasen schlecht erholen, hat Meline Sager eine Online-Umfrage erstellt, an der über 110 Personen teilgenommen haben. Ihre Haupterkenntnisse: Zeitmangel, die Erholung wird vergessen oder die Befragten haben noch keine Methode gefunden, die zu ihnen passt.
Stressabbau durch körperliche Erfahrungen
Dort setzt die Objektdesignerin an und greift Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie, der Psychoanalytik und dem sensorischen Design auf. Sie entwickelt Objekte, die an unterschiedlichen Orten und Zeiten im Alltag eingesetzt werden können und beim Stressabbau durch körperliche Erfahrungen helfen: Der Allrounder für den Alltag ist klein, leicht und unauffällig, während die Hände geschäftig eine Metallkugel im Stofftunnel verschieben. Beim Über-Gang von Arbeit zu Freizeit entspannt eine bewegliche Akupressurfläche für die Füsse wortwörtlich, wenn sie passend platziert wird. In der Einschlafphase sorgt ein wärmbares Kissen in Seitenlage für Entspannung und hilft dem Körper, sich in der Nacht zu regenerieren.
Bei der Materialauswahl legt Sager grossen Wert auf Regionalität und Nachhaltigkeit. Der Schweizer Leinenstoff für das Kissen stammt von der Marke neri, hinter der die Textildesignerin Mira Durrer steht. In ihrem Luzerner Atelier Neri entwickelt und testet sie die Stoffe selbst. Auch für die Zukunft wünscht sich Sager regionale Kooperationen und neue gestalterische Impulse. Und bei der Werkschau? «Da freue ich mich auf spannende Begegnungen und möchte Menschen motivieren, meine Objekte auszuprobieren und zu spüren, wie sich Entspannung anfühlen könnte.»
Stärneschii
In seinem animierten Kurzfilm Stärneschii verarbeitet Jérémie Jayraj Itty zum Abschluss seines Studiums in Animation persönliche Erfahrungen mit Demenz und Pflege. In einer poetisch überhöhten Sternwarte statt einer sterilen Station zeigt er den Arbeitsalltag eines Pflegers zwischen Belastung, Nähe und Erinnerung. Der magisch-realistische Film wird von der Paulie und Fridolin Düblin Stiftung und dem SRF gefördert und wird später auf Festivals sowie im Fernsehen zu sehen sein.
Wie fühlt es sich an, in einer geschlossenen Demenzstation zu arbeiten? Tag für Tag, im Spannungsfeld zwischen Nähe, Verantwortung und Abschied? Mit seinem Film Stärneschii nähert sich Jérémie Jayraj Itty aus Lancy, GE beim Abschluss seines Bachelorstudiums in Animation dieser Frage auf persönliche und poetische Weise. Der 6:40 Minuten lange animierte Kurzfilm basiert auf den eigenen Erfahrungen Ittys als Zivildienstleistender und als Angehöriger. Er entsteht in Zusammenarbeit von einem vierköpfigen Team aus Bachelorstudierenden mit unterschiedlichen Schwerpunkten in der Animationsarbeit.
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«Ich wollte zeigen, was in einem Menschen passiert, der sich mit ganzem Herzen um andere kümmert», sagt Itty. «Und wie sich die Realität für ihn verändert.» Inspiriert von seiner Zeit in der Demenzbetreuung – erst zu Hause mit seiner Grossmutter, später als Zivildienstleistender in einer geschlossenen Einrichtung – erzählt Stärneschii vom Innenleben eines Pflegers. Der Film schlägt eine Brücke zwischen dokumentarischem Alltag und künstlerischer Verarbeitung.
Ein Blick in die Vergangenheit
Statt nüchternen Klinikfluren öffnet sich im Film eine opulente Sternwarte: eine magische Welt, in der die Bewohnenden als Sternenwesen erscheinen. Jeder Charakter sieht je nach Betroffenheit anders aus. Das Sternenlicht steht für Hoffnung und Beständigkeit, ist einzigartig und doch Teil eines grösseren Ganzen. Diese Bildsprache entstammt dem magischen Realismus und dient als visuelle Metapher für den Zustand zwischen Gegenwart und Erinnerung.
«Was wir von Sternen sehen, ist längst vergangen», erklärt Itty. «So wie Menschen mit Demenz oft in ihrer Vergangenheit leben, aber auf ihre eigene Art trotzdem da sind.»
Trotz der fantastischen Umgebung bleibt Stärneschii geerdet. Die Dialoge und Bewegungen basieren auf realen Situationen. Der Alltag des Pflegers, sein ständiges Mitdenken, das emotionale Involviertsein auch in Pausen, wird durch einen langen Pier symbolisiert, der die Traumwelt der Sternwarte mit der realen Arbeitswelt verbindet.
Bei der Werkschau sind zentrale Szenen des Films, das Charakterdesign sowie erste Animationen und Hintergründe bereits zu sehen. Besuchende erhalten einen direkten Einblick in die Entstehung dieses einfühlsamen Werks, und in eine ganz eigene Perspektive auf das Leben mit Demenz.
Die Fertigstellung des Films ist für den Herbst geplant – danach folgen Festivalteilnahmen und eine mehrsprachige Veröffentlichung. Stärneschii wird vom SRF koproduziert und wird im Live TV gezeigt sowie in der Mediathek zur Verfügung stehen. Gefördert wird das Projekt zudem von der Paulie und Fridolin Düblin Stiftung und der Gemeinde Küsnacht, ZH.
Zuckerrausch – Zwischen Genuss und mentaler Belastung
Mit Zuckerrausch schafft Christine Benz im Rahmen ihres Abschlussprojekts im Studiengang Data Design + Art eine immersive Dateninstallation zum Thema Zuckerkonsum und mentale Gesundheit. Die Arbeit kombiniert wissenschaftliche Erkenntnisse mit Raumdesign und stellt die Frage, wie Genuss, Belastung und Wissen visuell erfahrbar werden. Spiegel, Projektionen und Sound schaffen eine individuelle Erlebniswelt, die zum Nachdenken anregt.
Wie viel Zucker konsumieren wir eigentlich und was macht er mit uns, jenseits von Kalorien und Karies? In ihrer Abschlussarbeit im Data Design + Art widmet sich Christine Benz aus Zürich mit Zuckerrausch dem täglichen Zuckerkonsum und dessen weniger bekannten Auswirkungen auf die kognitive und mentale Gesundheit. Die immersive Dateninstallation lädt Besuchende dazu ein, das scheinbar Alltägliche neu zu betrachten und die Wechselwirkungen zwischen Körper, Geist und Zuckerkonsum zu reflektieren.
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«Zucker ist allgegenwärtig und wirkt auf das Gehirn ähnlich negativ wie Alkohol, wird in der Gesellschaft und der Politik aber ganz anders behandelt», sagt Benz. «Mich interessiert, wie Ernährung nicht nur den Körper, sondern auch das mentale Befinden beeinflusst.» Aktuelle Studien zeigen: Ein dauerhaft hoher Konsum von freiem Zucker kann kognitive Prozesse stören, Entzündungen fördern und das Gleichgewicht der Darmflora beeinträchtigen mit Folgen für unser geistiges Wohlbefinden.
Im Zentrum des Projekts steht die Frage, wie sich wissenschaftlich fundierte Gesundheitsdaten in einer immersiven, sinnlich erfahrbaren Umgebung vermitteln lassen, ohne dabei verzerrend oder belehrend zu wirken. Zuckerrausch nutzt dafür visuelle und auditive Elemente und kombiniert Projektionen mit Spiegelmaterialien. Die Besuchenden bewegen sich einzeln und durch Kopfhörer von der Umwelt abgeschottet durch einen Raum. Die Spiegelungen sind eine Metapher für das Wechselspiel zwischen Zuckergenuss und mentaler Wirkung. Für die Installation wurden Daten aus dem Schweizer Ernährungsatlas und aktuellen Studien zur Wirkung von freiem Zucker auf die Gesundheit verarbeitet.
Zuckerrausch versteht sich als Aufklärung und Erfahrung zugleich. Und als Ausgangspunkt für weitere Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Design, Wissenschaft und individueller Wahrnehmung. «Ich wünsche mir, dass meine Arbeit einen Beitrag leistet, um gesundheitliche Themen anders zu vermitteln. Emotionaler, zugänglicher und nachhaltiger.»
Die immersive Dateninstallation Zuckerrausch von Christine Benz können Sie bei der Werkschau im Yoga Raum am HSLU Standort Viscosi in Emmenbrücke erleben.