Als Martina Berther Schlagzeug lernen wollte, hiess es, das sei etwas für Buben. So lernte sie sieben Jahre lang Trompete. Dank der Jugendmusik fand sie zum E-Bass. «Das ist MEIN Instrument!», dachte sie, als sie es mit 17 bei einer Probe zum ersten Mal einen in der Hand hielt. Damals war der Bassist aus dem Orchester ausgestiegen; sie erklärte sich bereit, den Part zu übernehmen und tat dies mit Erfolg. Nur vier Jahre später bestand sie die Aufnahmeprüfung an die Hochschule Luzern. 2012 erhielt sie als erste Frau das Masterdiplom in Performance für E-Bass.
Musikpädagogik als Absicherung
«Dass ich Musik studieren konnte, war für mich wie ein Traum», erzählt Berther. Zwischendurch musste ich mich kneifen: «Krass! Ich studiere Musik!» Zusätzlich absolvierte Berther einen Master in Musikpädagogik. «Zur finanziellen Absicherung», erklärt sie mit einem Augenzwinkern: «Dabei sind E-Bass-Lehrerstellen rar gesät. Diese Sicherheit ist also relativ …» Aber sie hatte das Glück, als Stellvertreterin mehrere Jahre lang an unterschiedlichen Schulen unterrichten zu können und für «Helvetiarockt» Female Bandworkshops zu geben.
Gewinnerin des Schweizer Musikpreises
Ihren Lebensunterhalt verdient Berther vor allem mit Konzerten. Ende 2018 gewann sie das Werkjahr der Stadt Zürich, wo sie seit 2016 lebt, und kürzlich wurde sie mit dem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet. Von solchen Engagements und Auszeichnungen kann sie eine Weile zehren. Mit verschiedensten Bands spielt sie zusammen, in Stilrichtungen von Pop über Indie Jazz bis Experimental. Letzten Sommer begleitete sie etwa Sophie Hunger auf ihrer Festival-Tournee. Doch auch mit einer derart erfolgreichen Band werde man als Musikerin nicht reich, sagt Berther klipp und klar. Wenn man die Musik zum Beruf mache, dann müsse man dies wirklich wollen. «Es ist extrem intensiv.» Auch der Corona-Lockdown beschäftigt die Künstlerin natürlich: «Zwischendurch kann ich die ruhigere Zeit – trotz finanzieller Ausfälle – auch mal geniessen. Da die Pandemie im Kultursektor jedoch längerfristig spürbar sein dürfte, glaube ich, dass die wirklich schwierige Zeit für uns Musikschaffende erst noch kommt.»
In den Bergen muss der Bass dem Flügelhorn weichen
Neben ihren Engagements in verschiedenen Bands ist Berther auch solo unterwegs: Als «Frida Stroom» entlockt sie ihrem Bass die seltsamsten Töne. Lied «Drei» klingt beispielsweise wie ein einfahrender Zug… Sie spielt Flügelhorn («weil ich es besser in die Berge mitnehmen kann als den Bass»), übt Schlagzeug («endlich – als Kind durfte ich das nicht, weil ich ein Mädchen war»!), liebäugelt damit, später einmal als Komponistin zu arbeiten, und Alphorn wolle sie ganz bestimmt auch noch lernen. Etwas freut Berther besonders: Sie erhält immer mehr Angebote, um mit ihren eigenen Projekten aufzutreten. Dazu gehören neben den Soloauftritten «Ester Poly» und «Aul». «Ich möchte längerfristig als eigenständige Künstlerin tätig sein und weniger als Sidewoman» sagt sie zu ihren Zukunftsplänen.
Wenn man die Musik zum Beruf macht, muss man dies wirklich wollen. Es ist extrem streng.
Martina Berther
Play your own thing!
«Ich habe immer mehr angefangen, meine eigene Sprache zu entwickeln, und ich bewege mich immer weiter weg von dem, was ich in Luzern gelernt habe», sagt Berther. Dort habe sie immer deutlicher gemerkt, dass der traditionelle Jazz eigentlich gar nicht so ihr Ding sei. «Und doch bezeichne ich mich immer noch als Jazzmusikerin, da es mir um die Improvisation in der Musik geht.» Dieser vermeintliche Widerspruch löst sich auf, wenn man sich das Motto der grössten Jazzschule der Schweiz vor Augen führt: «Play your own thing» steht auf der Homepage. «Die Förderung der Individualität und der eigenen musikalischen Sprache geniesst am Institut für Jazz höchste Priorität.» Es scheint schon fast, als wäre Berther die perfekte Musterschülerin.