Jodeln ist immaterielles Kulturerbe  

«Schon als kleines Kind wollte ich Jodlerin werden», sagt Nadja Räss. Vierzig Jahre später ist sie nicht nur Jodlerin, sie leitet an der HSLU den Fachbereich Volksmusik und unterrichtet Bachelor- und Masterstudierende im Jodeln. Und seit heute steht ihr Unterrichtsfach auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

Nadja Räss jodelt

An einem Wintermorgen um 5.00 Uhr vor einem Bildschirm – so stellt man sich Jodlerinnen und Volksmusiker nicht unbedingt vor. Am 11. Dezember 2025 allerdings reiben sich einige von ihnen zu früher Stunde den Schlaf aus den Augen und versammeln sich in Kriens am Departement Musik vor dem Computer. Um 05.25 Uhr brechen sie in Jubel aus: Der zwischenstaatliche Ausschuss zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes der UNESCO hat das Jodeln soeben in seine Liste aufgenommen.

Breit abgestützte Eingabe 

Eine der Jubelnden ist Nadja Räss. Sie ist Jodlerin, Gesangspädagogin, Leiterin des Bereichs Volksmusik und Professorin für das Hauptfach Jodel an der Hochschule Luzern. Sie kennt die Vorgeschichte dieses Jubels, die von intensiver Arbeit geprägt war: Ende 2022 erteilte das Bundesamt für Kultur (BAK) den Auftrag, eine Eingabe zu formulieren, die zur Anerkennung des Jodelns als immateriellem Kulturerbe führen sollte. Ein Team aus Mitgliedern des Eidgenössischen Jodlerverbandes, des Zentrums für Appenzeller und Toggenburger Volksmusik «Roothuus Gonten», der Interessengemeinschaft Volkskultur, der Hochschule Luzern und des BAK machten sich ans Werk, entwarfen, schrieben und spiegelten ihre Vorschläge einer breit abgestützten Begleitgruppe aus der Jodel- und Naturjodelszene, bis das BAK im April 2024 schliesslich die fertige Eingabe absenden konnte.  

Verschiedene Hypothesen zur Entstehung des Jodelns 

Jodeln ist ein wortloser Gesang, der zwischen der Brust- und der Kopfstimme hörbar wechselt. Woher es stammt, konnte bis jetzt niemand wirklich belegen. Dafür gibt es umso mehr Hypothesen. Zum Beispiel, dass das Jodeln mit seinen starken Höhen und Tiefen die Berglandschaft beschreibe, oder dass es eine Nachahmung des Alphornklanges sei. Wieder andere gehen davon aus, dass es als Kommunikationsform über weite Distanzen entstanden ist. Es gibt etwa sieben verschiedene Hypothesen, woher das Jodeln kommt.

«Meine Lieblingshypothese ist die Affekt-Hypothese. Diese besagt, dass das Jodeln ein Ausdruck von Gefühlen ist. Genauso fühlt es sich für mich an, wenn ich jodle: ich kann damit meine Gefühle ausdrücken.»

Nadja Räss

Fest steht, dass es das Jodeln in verwandter Form auch in unseren Nachbarländern gibt. Die Einschreibung in die UNESCO-Liste bezieht sich jedoch auf den Jodel in der Schweiz. Das schliesst aber laut Bundesamt für Kultur eine spätere Erweiterung nicht aus; denn eine multinationale Einschreibung ist grundsätzlich möglich.

Kinder sollen Jodeln lernen 

Nun ist das Jodeln also in die Liste der UNESCO aufgenommen. Wie geht es jetzt weiter? «Zur Eingabe gehören auch Massnahmen zur Nachwuchsförderung und zur Stärkung des Bewusstseins der Bevölkerung für die Tradition», sagt Nadja Räss. Eines der Projekte ist das «Jodelnde Klassenzimmer», mit dem Ziel, das Jodeln in Schulen zu verankern. Darüber hinaus setzt sie sich gemeinsam mit der Arbeitsgruppe «Jodelforum» für die gesamtschweizerische Förderung des Jodelnachwuchses und die Wahrnehmung des Jodelns in der Gesellschaft ein. Die Arbeitsgruppe will zudem die Literatur für Kinder- und Jugendjodelchöre ausbauen, die Digitalisierung von Archiven anstossen und Institutionen besser vernetzten.

Die Arbeit geht weiter. Und Nadja Räss ist begeistert: «Für uns alle ist diese Auszeichnung ein riesiger Motivationsschub und ich freue mich auf alles, was noch kommt.»

Weitere traditionellen Fertigkeiten und Wissensformen der Schweiz auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit

Weitere traditionelle Fertigkeiten und Wissensformen der Schweiz auf der
UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit

Bisher in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden
• 2016 das Winzerfest in Vevey
• 2017 die Basler Fasnacht
• 2018 der Umgang mit der Lawinengefahr (gemeinsam mit Österreich)
• 2019 die Prozessionen der Karwoche in Mendrisio
• 2020 das Uhrmacherhandwerk und die Kunstmechanik (mit Frankreich)
• 2023 die Alpsaison.
Weiter auf der Vorschlagsliste steht aktuell Schweizer Grafikdesign und Typografie.
Die Schweiz war auch an den folgenden multinationalen Kandidaturen beteiligt: Kunst des Trockenmauerbaus (2018), Alpinismus (2019), Bauhüttenwesen (2020) und traditionelle Bewässerung (2023).

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