Die Luzerner Peterskapelle ist mit ihren rund 840 Jahren die älteste Kirche der Stadt – und im Moment wahrscheinlich auch die modernste: Noch bis Anfang Januar 2021 gastiert in der Kapelle die landesweit erste Augmented-Reality-Weihnachtskrippe, entwickelt von Informatik-Forschenden der Hochschule Luzern.
Zwei Tablets machen die virtuelle Krippe für Besucherinnen und Besucher der Kapelle sichtbar. Ochs, Esel und Christkind werden auf den Bildschirmen der Geräte scheinbar direkt ins Kirchenschiff und in den Chor mit seinem marmornen Altar hineinprojiziert. Menschen und Tiere sind dreidimensional modelliert. Betrachter können also mit dem Tablet quasi um sie herumgehen; fast so, als wären sie real.
«Unser ‹Krippen-Personal› sieht aufgrund der benötigten Rechenleistung und der kurzen Entwicklungszeit vielleicht schlicht aus, dafür bewegt es sich sehr lebendig», sagt Projektleiter Richard Wetzel vom Immersive Realities Research Lab der Hochschule Luzern. Die Forschungsgruppe ist auf die Verbindung digitaler mit physischen Erfahrungen spezialisiert.
Die zweite Realität: das Immersive Realities Research Lab
Das Immersive Realities Research Lab der Hochschule Luzern wurde 2018 von Dr. Richard Wetzel und Dr. Markus gegründet. Das Team erforscht Anwendungen der Technologien Virtual Reality und Augmented Reality. Neben der Kooperation mit der Luzerner Peterskapelle laufen zahlreiche weitere Forschungsprojekte. Eine aktuelle Auswahl:
Holodeck Luzern: Stadt- und Ortsplanungen werden mittels Bauplänen, Texten oder Modellen vermittelt, die für Laien oft schwer verständlich sind. Mit dem «Holodeck» sollen solche Prozesse für breitere Bevölkerungsschicken anschaulich gemacht werden. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer 300 Quadratmeter grossen VR-Umgebung, die es Gruppen erlaubt, Bauprojekte gleichzeitig zu betrachten.
VR-Bees: Die Imkereiausbildung ist sehr herausfordernd, nicht zuletzt, weil angehende Imkerinnen und Imker nur bedingt am lebenden Subjekt trainieren können. Ein in der Entwicklung befindliches VR-Spiel, das virtuelle Bienenstände simuliert, soll hier Abhilfe schaffen.
Nonverbale Kommunikation in VR: Die Gestik ist ein wichtiger Bestandteil von Gesprächen. Auf Skype, Zoom und Co. kommt sie indes schlecht zur Geltung. In einem Vorprojekt untersucht das Immersive-Realities-Team daher Ansätze, wie man sich in einer virtuellen Umgebung mittels Gestik verständigen kann.
Kirche und Technik: Interessante Kontraste
Kirche und Hightech, geht das zusammen? Er sehe da keinen Widerspruch, sagt Wetzel, vielmehr interessante Kontraste: «Die Peterskapelle hat eine ganz eigene Atmosphäre, sie existiert schliesslich seit bald einem Jahrtausend», so der Forscher. «Unsere digitale Krippe ist hingegen simpel gehalten und sehr flüchtig. Damit setzen wir einen Kontrapunkt zur langlebigen Architektur und erschaffen so eine ganz neue gemeinsame Umgebung.»
Passend zur modernen Technik ist die Darstellung nicht historisiert, wie das bei traditionellen Weihnachtskrippen der Fall ist. Statt weise Könige in wallenden Gewändern bevölkern Busfahrerinnen, Handwerker, Gärtnerinnen und andere zeitgenössische Figuren die Szene. Damit folgt das Projektteam dem Prinzip der «Neapolitanischen Krippe», wie Florian Flohr, Leiter der Peterskapelle, erklärt. Die Weihnachtsgeschichte spielt sich hierbei im Alltag der Betrachtenden ab. Das mache sie zugänglicher.
Eine ganze Kirche aus dem Computer
Die Augmented-Reality-Weihnachtskrippe ist das zweite gemeinsame Projekt der Peterskapelle und der Hochschule Luzern. Im September dieses Jahres bauten die Informatik-Forschenden den Innenraum der Kirche komplett als 3D-Modell nach. Das Modell diente als virtuelle Galerie für die Ausstellung «Palacetine». Besucherinnen und Besucher konnten darin mittels einer Virtual-Reality-Brille die digitalen Exponate von Design- und Kunst-Studierenden der Hochschule Luzern erkunden.
Das 3D-Modell kommt nun auch in der Heim-Version der Weihnachtskrippe zum Einsatz. Die Krippe ist nämlich nicht nur vor Ort via Tablet, sondern auch von zuhause aus zugänglich – eine Virtual-Reality-Brille ist dafür nicht nötig. Um die Krippe möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, entschied sich das Projektteam dazu, eine Version für Webbrowser zu erstellen, die auf normalen Computern lauffähig ist.
Eine Krippe zum selber basteln und verschicken
Nutzerinnen und Nutzer können die verschiedenen Figuren selbst in die digitale Kapelle platzieren und der Krippe mit einer geschriebenen oder gesprochenen Grussbotschaft sogar eine persönliche Note verleihen und Freunden oder Verwandten senden. Diese Grussbotschaften landen dann wiederum auch in Augmented-Reality-Installation in der Kirche, wo sie von den Besucherinnen und Besuchern vor Ort betrachtet werden können.
Weihnachten sei schliesslich das Fest der Zusammenkunft, sagt Florian Flohr von der Peterskapelle. «Aber aufgrund von Corona zögern natürlich viele Menschen, ihre Familie, Gottesdienste oder Ausstellungen zu besuchen. Wir hoffen, ihnen mit unserer digitalen Weihnachtskrippe trotzdem ein spezielles Erlebnis bieten zu können.»
Hier geht’s zur digitalen Weihnachtskrippe der Peterskapelle: wir-sind-krippe.ch
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