Ein Luzerner Orgel-Original

Wer war nicht schon tief beeindruckt vom imposanten Klang einer Orgel? Ein solches Instrument wird derzeit in der Luzerner Orgelwerkstatt Goll gebaut. Ab Herbst dürfen die Musikstudierenden der Hochschule Luzern darauf alle Register ihres Könnens ziehen.

Mit Blick fürs Detail: Orgelbaumeister Simon Hebeisen.

Mit Blick fürs Detail: Orgelbaumeister Simon Hebeisen.

2.60 Meter ist sie hoch und 1.75 Meter breit – mit ihren Massen und der modernen Holzfront wirkt sie auf den ersten Blick wie ein grosser Kleiderschrank. Im Gegensatz zu diesem wiegt sie knapp eine halbe Tonne und besteht aus tausenden, teils äusserst filigranen Einzelteilen: die Orgel, die derzeit in der Orgelwerkstatt Goll in Luzern entsteht. Auf diesem «klingenden Schrank» werden ab Herbst im Neubau des Departements Musik die Studierenden des Bereichs Kirchenmusik üben.

Für Generationen gebaut

«Die Planung und der Bau eines derart komplexen Instrumentes erfordert viel Fingerspitzengefühl und Zeit», sagt Simon Hebeisen, Geschäftsführer der Orgelbau Goll AG. Die besondere Herausforderung in diesem Fall: Die Orgel so kompakt zu bauen, dass sie in einem Unterrichtsraum Platz hat und dennoch ihren vollen Klang entfalten kann. Mit seinem 13-köpfigen Team hat Hebeisen die Orgel entworfen, die unzähligen Teile in der eigenen Werkstatt von Hand gefertigt und ist nun dabei, alles zusammenzufügen.

«Ein Instrument für eine Hochschule statt für einen grossen Kirchenraum zu entwerfen, ist eine ganz eigene Kategorie», sagt Hebeisen. In seiner Orgelwerkstatt wurden schon Instrumente für Hochschulen etwa in Bayreuth, Zürich und Salzburg, aber auch für das KKL Luzern oder den Mainzer Dom gebaut. Man könne nicht einfach von einer grossen Konzertorgel eine verkleinerte Version herstellen, sagt der gelernte Orgelbaumeister. «Jedes Instrument muss völlig neu konzipiert werden, damit Klang, Technik und Gestaltung eine perfekte Einheit bilden.» Immerhin baue man eine Orgel für mehrere Generationen, betont Hebeisen: «Solche Instrumente sind mindestens hundert Jahre im Einsatz.»

Kein Wandschrank, sondern die moderne Goll-Orgel für die Hochschule Luzern.
Kein Wandschrank, sondern die moderne Goll-Orgel für die Hochschule Luzern.
Die Rahmen der beiden Manualklaviaturen aus Zwetschgenholz mit dekorativen Verzierungen.
Die Rahmen der beiden Manualklaviaturen aus Zwetschgenholz mit dekorativen Verzierungen.
Nur wenige von zahlreichen Teilen, die es für eine Orgel braucht: Hier jene, die die einzelnen Tasten mit den jeweiligen Ventilen verbinden.
Nur wenige von zahlreichen Teilen, die es für eine Orgel braucht: Hier jene, die die einzelnen Tasten mit den jeweiligen Ventilen verbinden.
Bevor gebaut wird, wird gezeichnet: Pläne für den Grundriss, die Front und die Seiten (Massstab 1:10).
Bevor gebaut wird, wird gezeichnet: Pläne für den Grundriss, die Front und die Seiten (Massstab 1:10).

Volle Spielfreude trotz reduzierter Registerzahl

Die Übe-Orgel für die Hochschule Luzern hat 138 Metall- und Holzpfeifen, die kleinste gerade mal zwei Zentimeter lang, die grösste misst nach traditionellem Orgelbauer-Mass acht Fuss, also etwa 2.40 Meter. Gespielt wird auf drei Registern – je eine Pfeifenreihe für die beiden Manualklaviaturen und die Pedalklaviatur: «Wir haben uns bewusst auf nur drei Klangfarben konzentriert», erklärt Goll. «Diese erlauben es den Studierenden dennoch, alles zu üben, was sie für das Spiel auf einer grossen Konzertorgel können müssen».

Voll Vorfreude auf das neue Instrument ist Suzanne Z’Graggen, Dozentin und Leiterin des Bereichs Kirchenmusik an der Hochschule Luzern: «Wir haben das Glück mit der Goll-Orgel ein modernes Instrument zum Unterrichten und Üben zu bekommen, das von einem renommierten Traditionsbetrieb in unserer Region gebaut wurde.»

In der Orgelbauer-Werkstatt läuft unterdessen alles nach Plan. Anfang August wird das Instrument ausgeliefert und im Neubau des Departements Musik intoniert. Dann geht bei Simon Hebeisen der Puls sicher noch mal etwas höher: «Wenn ein Instrument, an dem wir mehrere Monate lang gearbeitet haben, an seinem eigentlichen Bestimmungsort erstmals erklingt, ist das jeweils ein ganz besonderer Moment.»

Die grösste Orgel der Schweiz Die ursprünglich von Friedrich Goll erbaute Orgel des Klosters Engelberg hat nach diversen Erweiterungen heute über 137 Register und mehr als 9’000 Pfeifen.
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Die Schiffsorgel Im Bundesmuseum für Musikautomaten Seewen ist man sich sicher, die Orgel der Britannic – des Schwesterschiffs der 1912 gesunkenen Titanic – entdeckt zu haben. Dabei handelt es sich um eine Welte-Orgel (siehe «Ohne Organist»).
Ohne Organist Welte-Orgeln sind überdimensionierte Drehorgeln, die mit Walzen betätigt werden. Auf den Walzen wurden die Interpretationen der berühmtesten Organisten aufgezeichnet. Eine solche Orgel von 1926 steht auch in der Kapelle des Schlosses Meggenhorn.
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Grosser Auftritt an der KKL-Orgel: Solistenkonzert mit HSLU-Absolvent Philipp E. Gietl (23.6.2020)

Vier Orgeln für ein Halleluja

Im Neubau des Departements Musik der Hochschule Luzern auf dem «Kampus Südpol» werden die bisher knappen Übungsmöglichkeiten ausgebaut: Künftig stehen den Studierenden des Bereichs Kirchenmusik vier Orgeln zur Verfügung. Zwei davon sind Neuanschaffungen: Die Goll-Orgel, die dank einer Schenkung des ehemaligen Akademievereins Luzern und weiterer Stifter ermöglicht wurde, dient zum Unterrichten und Üben. Ein weiteres neues Instrument, dieses vom Freiburger Orgelbauer Späth, sowie die beiden bisherigen Instrumente werden ebenfalls in den Neubau einziehen.

Die Kirchenmusik hat an der Hochschule Luzern eine lange Tradition. Seit 1942 werden hier Studierende auf ihren Berufsalltag als Chorleiter oder Organistin vorbereitet bzw. vertiefen Weiterbildungsteilnehmende ihr Wissen in diesen Bereichen. Die Studierenden des Bereichs Kirchenmusik zeigen ihr Können regelmässig, etwa an der berühmten Orgel in der Luzerner Jesuitenkirche oder an jener Goll-Orgel im KKL Luzern (siehe Video oben).

Die Orgel spielt aber nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der Forschung eine grosse Rolle an der Hochschule Luzern: So erforscht das hochschuleigene Orgeldokumentationszentrum (ODZ) seit 2007 die Schweizer Orgelkultur mit ihren schätzungsweise 3’000 Orgeln.

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