Das Verkehrshaus macht Energie erlebbar

Mit dem neuen «House of Energy» will das Verkehrshaus der Schweiz seine Besucherinnen und Besucher zur Auseinandersetzung mit dem Thema Energie einladen. Die Hochschule Luzern war bei dessen Konzeption von Anfang an mit dabei. Ein Rückblick.

Neue Ausstellung mit HSLU-Beteiligung: das "House of Energy" im Verkehrshaus der Schweiz.

Sprechen Laien über Energie, so ist die Sache recht einfach: Lichtschalter kippen, es wird hell. Heizung aufdrehen, es wird warm. Gaspedal drücken, es wird schnell. Auch Forscherinnen und Forschern fällt die Verständigung nicht schwer: ΦN = Em • A. Energie = Exergie + Anergie. v = v0 + a • t.

Wie aber verständigen sich Laien und Fachleute? Um dies zu klären und die Verständigung zu fördern trafen sich Expertinnen und Experten für Energie des HSLU-Departements Technik & Architektur mit den Fachleuten für Vermittlung vom Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. Letztere hatten nämlich eine kühne Idee: ein House of Energy, in dem das abstrakte Thema Energie für Menschen jeden Alters und Wissensstandes erlebbar werden soll. Das ehrgeizige Projekt, so viel war von Anfang an klar, brauchte einerseits wissenschaftliche Grundlagen, andererseits fundiertes Können und Erfahrung im Bereich der Wissensvermittlung. Eine regionale Zusammenarbeit lag auf der Hand.

Für die Forschenden der Hochschule Luzern bedeutete die Ausstellung im Verkehrshaus Neuland – Neuland mit Chancen. Denn: Forschung für die Energiewende ist eines der zentralen Themen am Departement Technik & Architektur. In Aus- und Weiterbildung werden hier die künftigen Ingenieurinnen und Ingenieure zu wichtigen Akteuren auf dem Weg in eine CO2-neutrale Zukunft ausgebildet. Junge Menschen für das Thema Energie zu interessieren, liegt quasi in der DNA des Departements.

Vor zwei Jahren wurde die Zusammenarbeit beschlossen. Am 4. April 2023 öffnet das House of Energy erstmals seine Tore. Der Weg dorthin war eine Reise, die für alle Beteiligten Überraschungen bereithielt – und in der zukünftigen Zusammenarbeit sicher weitere bereithalten wird.

Zwischen Alltags- und Fachsprache

Prof. Dr. Andrea Weber-Hansen, Leiterin Forschung & Entwicklung am Departement Technik & Architektur, erinnert sich an die Anfänge der Zusammenarbeit: «Wir realisierten, dass wir zunächst einige Dinge klären mussten, die für unseren Alltag selbstverständlich sind: Energie ist nicht das Gleiche wie Strom. Energie nicht das Gleiche wie Leistung bzw. ein Kilowatt nicht das Gleiche wie eine Kilowattstunde.»

Einige grundlegende Fakten zum Thema Energie

Energie ist nicht gleich Strom. Elektrische Energie (Strom) ist nur eine von mehreren möglichen Formen von Energie. Neben der elektrischen gibt es zum Beispiel auch kinetische oder thermische Energie.

Energie ist nicht gleich Leistung. Und: Eine Wattstunde ist nicht gleich ein Watt.
Ein Watt (oder bei grösseren Mengen Kilowatt) beschreibt die Leistung, die in einem bestimmten Moment erbracht wird. Eine Wattstunde (oder Kilowattstunde) beschreibt die Menge an Energie, die nötig ist, um diese Leistung zu erbringen oder zu beziehen. Nehmen wir zum Beispiel eine LED-Lampe mit einer Leistung von 8 Watt: Die Leistung ist eine Eigenschaft der Lampe; die Helligkeit entspricht also einer Leistung von 8 Watt. Ist die Lampe eine Stunde lang in Betrieb, so braucht sie 8 Wattstunden elektrische Energie (8 Watt während einer Stunde Zeit). In einer halben Stunde sind es 4 Wattstunden (8 Watt während einer halben Stunde Zeit).

Fabian Hochstrasser ist Leiter des Bereichs Bildung und Vermittlung im Verkehrshaus. Er und sein Team versorgen die rund 3’000 Schulklassen, die jährlich das Verkehrshaus besuchen, mit Unterrichtsmaterialien, unterstützen Lehrpersonen bei Weiterbildungen und beraten Kuratorinnen und Kuratoren bei didaktischen Fragen. Auch er erinnert sich an ein Aha-Erlebnis: «Energieexpertinnen und -experten machten uns darauf aufmerksam, dass es schlicht falsch ist, von Energieverbrauch oder -produktion zu reden, da Energie nicht verbraucht oder produziert wird, sondern umgewandelt.»

Die Alltagssprache sorgt hier also für gewaltige Verwirrung. Wie geht man damit in einer Ausstellung um? Das Team entschloss sich, die Sprache rund um Energie zu thematisieren. «Wir können und wollen nicht den ganzen Sprachgebrach ändern», so der Pädagoge. «Aber wer aus der Ausstellung kommt, soll wissen, was wirklich damit gemeint ist, wenn von Energieverbrauch und -produktion gesprochen wird.»

Energie wird nicht produziert, sondern umgewandelt – warum das stimmt, und doch keine Probleme löst

Energie wird nicht produziert oder verbraucht, sondern umgewandelt. Das bedeutet nicht, dass wir alle Energie auch nützen können. Die Bewegungsenergie eines fahrenden Velos zum Beispiel kann teilweise durch einen Dynamo in Licht umgewandelt werden. Durch die Reibung entsteht jedoch auch Wärme. Diese verschwindet zwar nicht, doch «verpufft» sie in der Luft. Auch wenn Menge an Energie gleichbleibt, ist für unsere Umwelt entscheidend, woher die Energie kommt, die umgewandelt wird: Fossile Energiequellen sind endlich. Die Stoffe werden verbrannt. Die Emissionen, die dadurch entstehen, sind für das Klima belastend. Energie aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wasser oder Wind hingegen wird nicht durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen produziert; dadurch wird also kein CO2 freigesetzt.  

Welche Zahlen sind verlässlich?

Die HSLU ist Mitglied im wissenschaftlichen Beitrat der Ausstellung, der das Verkehrshaus aus wissenschaftlicher Sicht berät. Andrea Weber-Hansen erinnert sich: «Wir waren schon involviert, bevor des den Beitrat überhaupt gab.» Bis zu 30 HSLU-Mitarbeitende trugen Grundlagen zusammen, denn das Thema Energie umfasst viele Facetten. «Es hat uns nicht nur sehr viel Spass gemacht, es war auch enorm spannend und führte zu angeregten Diskussionen», sagt sie. Am Anfang ging es um ganz praktische Themen: Was sind die relevanten Fragen und Botschaften? Welche Fakten rund um die Energiewende müssen vermittelt werden? Auf welche wissenschaftsbasierten Fakten können wir uns stützen? Welche Quellen sind verlässlich? «So banal das vielleicht klingt, so kompliziert ist es, sich in dem Datenmaterial zurechtzufinden – weshalb es für diese Grundlagen Fachleute braucht», erklärt sie. Denn so viele Daten es auch gibt, so tückisch ist der Umgang damit: «Daten stehen immer in einem Zusammenhang. Den muss man berücksichtigen.»

In der Ausstellung ist diese aufwändige Grundlagenarbeit allgegenwärtig, aber kaum mehr sichtbar. Denn im Verkehrshaus geht es nicht darum, Zahlen zu präsentieren, sondern das Phänomen Energie für verschiedene Zielgruppen erlebbar zu machen. Neben grundlegendem Energiewissen und Fakten rund um die Energiewende geht es dabei zum Beispiel um Wohnen und Alltag, um Kreislaufwirtschaft, um Mobilität – für das Verkehrshaus natürlich ein Heimspiel – oder um die so genannte Sektorenkopplung, Kopplung von Strom und Wärme oder von Strom und Mobilität. Zum Beispiel: Die Solaranlage auf dem Dach, die den Strom für das E-Auto liefert, dessen Batterie vielleicht als Speicher dient, damit man nachts, wenn die Solaranlage keinen Strom mehr produziert, dank der gespeicherten Energie doch noch das Smartphone aufladen kann.

Das Thema Energie sei für sich allein schon spannend, da sind sich die Ausstellungsmachenden und die Forschenden einig. Aber: Zentral ist das Thema im Kontext des menschengemachten Klimawandels. Ziel der Ausstellung ist deshalb, dass die Besucherinnen und Besucher sich darüber Gedanken machen. Der Weg dahin soll kein erhobener Zeigefinger sein, sondern faktenbasiertes Wissen, das verständlich aufbereitet zum Erlebnis wird.

3 Fragen an Prof. Dr. Andrea Weber-Hansen

Was hat das Team aus dem Departement Technik & Architektur motiviert, sich an der Ausstellung zu beteiligen?
Wir haben uns gefreut, dass das Verkehrshaus ein Thema zum Schwerpunkt macht, welches uns am Departement wie kein anderes beschäftigt, und das für uns als Gesellschaft im Moment relevanter ist denn je. Die Energieforschung an der HSLU ist ja nicht Selbstzweck – es geht immer darum, wie wir dem Klimawandel begegnen können. Das House of Energy erreicht nun ein Publikum, mit dem wir normalerweise wenig zu tun haben. Darüber hinaus ist es für uns selbstverständlich, dass wir als in der Zentralschweiz stark verankerte Hochschule auch andere Institutionen in der Region unterstützen. In anderem Rahmen tun wir das auch mit unseren Partnerschaften mit den Kantonen, der Industrie und anderen Organisationen.

Was nehmen Sie für sich aus der Zusammenarbeit mit dem Verkehrshaus mit?
Dass es neben den gängigen Vermittlungsformaten, die wir in der Forschung haben, noch viel mehr Möglichkeiten gibt. Wir bemühen uns schon heute, mit Vorträgen und Publikationen eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, aber das House of Energy ist für uns ein ganz neues Format, mit dem auch ganz junge Menschen angesprochen werden. In diesem Austausch möchten wir weitergehen. Es ist zum Beispiel ein Workshop zum Thema Citizen Science in Planung. Dabei geht es darum, Bürgerinnen und Bürger in die Forschung einzubeziehen. Das ist enorm anspruchsvoll – schliesslich will man das Versprechen einlösen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Sicht auf Forschungsfragen tatsächlich einbringen können. Weiter ist mir durch die Zusammenarbeit mit dem Verkehrshaus noch bewusster geworden, wie wichtig es ist, bei Forschungsprojekten auch die Ängste zu berücksichtigen, die mit Technologie zusammenhängen und so zu kommunizieren, dass diese abgebaut werden. Die Arbeit mit dem Verkehrshaus hat uns gezeigt, dass wir manchmal einen Schritt zurücktreten müssen, um zu überprüfen, wie wir mit unseren Visionen auch eine breitere Öffentlichkeit erreichen.

Was erhoffen Sie sich von der Ausstellung im House of Energy?
Dass die Ausstellung Anregungen gibt, über das eigene Handeln nachzudenken; vor allem darüber, welche Möglichkeiten man selbst hat, etwas zu verändern. Denn der Klimawandel geht uns alle an, und ohne Veränderungen in unserem Verhalten geht es nicht.

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